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بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen

Zeitung al-Raya

Die Geschehnisse in den USA und ihr Einfluss auf die weltpolitische Lage

(Teil 2)

Von A. Manzour

Die USA mussten schmerzhafte Schläge von den Muslimen im Irak und in Afghanistan einstecken, sodass sie dann – unterschiedlich verpackt – eingestehen mussten, in beiden Ländern keinen Sieg davongetragen zu haben. So haben es Ex-Präsident Obama und zahlreiche Verantwortliche zum Ausdruck gebracht, wie etwa der Verteidigungsminister unter Bush und Obama, Robert Gates, der ankündigte: „Die USA werden kein weiteres Mal zwei Kriege gleichzeitig führen.“ Die USA beschlossen 2008, sich aus dem Irak zurückzuziehen und zeigten sich auch bereit, Afghanistan zu verlassen. Russland sah sich daraufhin im August 2008 ermutigt, eine Militäroperation gegen Georgien zu führen, um dem Land Abchasien und Südossetien zu entreißen, ohne dass die USA auch nur einen Finger rührten. Das war ein Hinweis darauf, dass die Position Amerikas als führende Macht in der Welt ins Wanken gekommen war. Unlängst, am 29.02.2020, unterzeichneten die USA ein Abkommen mit den Taliban, um noch gesichtswahrend die eigenen Truppen aus Afghanistan abziehen zu können. US-Präsident Donald Trump hatte am 09.10.2019 getweetet: „Die Vereinigten Staaten haben acht Billionen Dollar für den Kampf und die Polizeiaufgaben im Nahen Osten ausgegeben. Tausende unserer großartigen Soldaten sind ums Leben gekommen oder wurden schwer verwundet. Auf der anderen Seite sind Millionen von Menschen gestorben. Der Gang in den Nahen Osten war die schlechteste Entscheidung, die jemals in der Geschichte unseres Landes getroffen wurde.“ Ähnliches wiederholte er im vergangenen April, was ein Indiz dafür ist, dass die USA nicht mehr in der Lage sind, die Lasten des Krieges zu tragen und somit auch nicht die Bürde einer Weltmacht.

Und dann kam es zur Finanzkrise, die zum Vorschein brachte, wie gebrechlich das Schreckgespenst USA war. Und es ist zutage getreten, wie sehr ihre Lösungen und die des Kapitalismus gescheitert sind und wie tiefgehend die Krise war, von deren Folgen sie sich bis heute – zehn Jahre später – nicht erholt haben. Das hat das Vertrauen in die Vereinigten Staaten, in den Kapitalismus und in das US-beherrschte globale Finanzsystem erschüttert, das 1944 in Bretton Woods seinen Anfang nahm, nachdem Amerika als Sieger und mächtigster Staat der Welt aus dem Zweiten Weltkrieg hervorging. Als es 2008 zur Finanzkrise kam, machten sich einige Länder aktiv daran, den Amerikanern die Zügel aus der Hand zu nehmen. Frankreichs früherer Präsident Sarkozy rief etwa als Alternative zum gegenwärtigen System zu einem neuen globalen Finanzsystem auf. Gemeint ist: Amerika von der Führung der freien kapitalistischen Ordnung und von der Kontrolle über den Weltwährungsfond und die Weltbank zu verdrängen. Der Dollar sollte als Leitwährung, an die sämtliche Währungen gekoppelt sind und auf deren Grundlage die Preise sämtlicher Güter, besonders von Erdöl und Gold festgelegt werden, gestürzt werden. Von deutscher Seite wurden Vorwürfe gegen die USA laut, verantwortlich für die Krise und für die Armut auf der Welt zu sein, so wie es vom früheren deutschen Außenminister Peer Steinbrück in jenem Jahr zum Ausdruck gebracht wurde. China rief zur Rückkehr zum Goldsystem auf, um der Dollar-Dominanz ein Ende zu setzen und regte mit Russland zusammen einen Handelsaustausch auf Basis der Landeswährungen an. Der Umstand, dass die Staaten sich gegen die US-Dominanz auflehnen, ist ein Indikator dafür, dass Amerikas Position wackelt.

In der islamischen Welt, insbesondere in den arabischen Ländern, kam es zum Ausbruch von Aufständen und Revolten. Die Menschen begehrten gegen die Marionettenherrscher Amerikas und Europas auf. Das ließ vor allem die Amerikaner aufrschrecken und beschäftigt sie – bis zum heutigen Tag. Und auch wenn es den USA gelungen ist, die Revolten zu sabotieren, so dass der Erfolg noch auf sich warten lässt, doch ein Aufstand der Umma lässt alle Alarmglocken Amerikas klingeln. Denn die USA sind sich ihrer Unfähigkeit bewusst, die Aufstände von den Wurzeln her anzupacken und den Ursachen des Ausbruchs beizukommen. Daher könnte das Pulverfass dort jederzeit explodieren. Es hängt alles von einem zunehmenden Bewusstsein der Umma ab und davon, ob sie eine aufrichtige, politisch-bewusste Führung findet, unter deren Leitung sie sich begeben kann. Die Revolten in den arabischen Ländern fordern die Weltordnung heraus, so wie es Obama schon erwähnte. Besser gesagt: Sie fordern vor allem Amerika heraus, das diese Weltordnung dominiert. Diese Aufstände schwappten sogar auf Amerika über, wo 2011 ähnliche Proteste ausbrachen, die den Sturz der Ordnung unter dem Slogan „Occupy Wallstreet“ forderten.

Amerika nuzte Umstände aus und mobilisierte die Menschen in der Ukraine, um die Vasallen Russlands von der Führungsposition im Land zu stürzen. Die Reaktion Russlands war, in die Krim einzufallen, sie der Ukraine zu entreißen und im Jahr 2014 zu annektieren. Darüber hinaus mobilisierten die Russen ihre Getreuen in der Ost-Ukraine, damit diese eine separatistische Bewegung gründen und dort zwei Republiken auszurufen. Das galt als eine Ohrfeige für Amerika, womit einerseits die russische Position in der Region gestärkt und andererseits das Vertrauen in die USA erschüttert wurde, ähnlich wie in den Georgien-Ereignissen 2008.

Von den USA wurden die sogenannte Marktwirtschaft und die Globalisierung ins Leben gerufen, in den 1990er Jahren die Welthandelsorganisation gegründet und so die Welt auf wirtschaftlicher Ebene angeführt. Doch waren sie auch der erste Staat, der mit diesen Abkommen und mit dieser Politik brach. Und um sich aufgrund iher Verstöße abzusichern, erließen sie Gesetze. Unter ihrem Noch-Präsidenten Donald Trump traten die USA einen Handelskrieg gegen alle los. Von Trump wurde der Slogan „America first“ ins Leben gerufen, womit gemeint war, dass zuallererst an die amerikanischen Interessen gedacht wird und dass die USA bereit sind, sämtliche Vereinbarungen zum Wohle amerikanischer Interessen aufzukündigen. Das hat das Vertrauen in die USA und in deren Führung der freien kapitalistischen Welt lädiert.

Die USA begannen, alle militärischen, politischen und wirtschatlichen Abkommen und Vereinbarungen aufzukündigen, obwohl sie sie unterzeichnet hatten bzw die Hauptrolle bei deren Ausarbeitung und Zustandekommen spielten. Dann begannen sie, die Abkommen selbst zu modifizieren bzw. eine Modifizierung zu fordern, und zwar auf eine Weise, die ihren eigenen Interessen entspricht, ohne den Interessen anderer Staaten Beachtung zu schenken. Zu diesen Abkommen gehören: das Freihandelsabkommen NAFTA mit Kanada und Mexiko, das Mittelstreckenabkommen mit Russland, das Nuklearabkommen mit dem Iran und das Pariser Klimaschutzabkommen. Sie traten aus der UNESCO und aus dem Internationalen Strafgerichtshof aus. Zudem kündigten die USA am 21.05.2020 an, aus dem „Vertrag über den Offenen Himmel“ (OH-Vertrag) auszutreten, dem 35 Staaten angehören. Dieses Abkommen gibt jedem Vertragsstaat das Recht, jährlich eine bestimmte Anzahl vereinbarter Beobachtungsflüge über dem Staatsgebiet anderer Vertragsstaaten durchzuführen. Dabei kommen Sensoren für Foto- und Videoaufnahmen, zunehmend auch digital, zum Einsatz. Und das ist der jüngste Akt Amerikas unter der Trump-Administration zum Aussteig aus einem großen internationalen Abkommen. Dieser OH-Vertrag geht auf einen Vorschlag des US-Präsidenten Eisenhowers von 1955 zurück, der schließlich 1992 unterzeichnet wurde und 2002 in Kraft getreten ist. Das alles verstärkt nur noch den Zorn der Welt auf die USA und zerstört immer mehr das Vertrauen in sie und deren Glaubwürdigkeit in der Einhaltung von Abkommen und Verträgen.

Die USA begannen, die Europäische Union anzugreifen, nachdem sie, wenn auch nur oberflächlich, als Partner der USA gesehen wurde. Mitglieder der EU wurden öffentlich von den USU dazu aufgerufen, aus der Union auszutreten. Die USA befürworteten den Brexit und forderten andere Staaten dazu auf, es den Briten gleich zu tun. Sogar Frankreich, ein zentraler Gründungsstaat der Union, wurde 2018 auf einem Amerika-Besuch des französischen Präsidenten 2018, dazu aufgerufen die EU zu verlassen, als dieser versuchte, Amerika davon zu überzeugen, den Entschluss zum Ausstieg aus dem Nuklearvertrag mit dem Iran, zu überdenken. Einflussreiche Staaten in Europa, vor allem Deutschland und Frankreich, wurden attackiert. Es ging sogar soweit, dass die USA damit drohten, aus der NATO auszutreten, den sie selbst anführen. Es wurden scharfe Auseinandersetzungen während der NATO-Treffen geführt, bei denen es darum ging, Druck auf die Mitglieder zur Zahlung von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militärausgaben auszuüben, während die USA für den größten Anteil aufkommen musste. Die USA ächzen unter den wirtschaftlichen und finanziellen Krisen, was darauf hindeutet, dass die Zeit, als Amerika noch für die ganze westliche Welt aus dem Vollen schöpfen konnte, und Rettungs-Projekte wie den Marshall-Plan, die Truman-Doktrin und Hilfsprojekte für die Völker der Welt exportieren konnte, vorbei ist. Nun benötigt es selbst jemanden, der es rettet und ihm hilft, was nochmal unterstreicht, dass der weltpolitische Zustand Amerikas beschädigt und dass das Vertrauen in das Potential Amerikas erschüttert ist.

Die USA haben ferner begonnen, mit ihren G7-Verbündeten harte Auseinandersetzungen zu führen, denen sie selbst vorstehen. Der Grund ist, dass diese Staaten angefangen haben, die USA herauszufordern und sich ihnen zu widersetzen, was ein Signal dafür ist, dass die internationale Position der USA geschwächt ist. Das brachte US-Präsident Trump dazu, die G7-Gruppe am 31.05.2020 als eine „sehr überholte Gruppe von Ländern“ zu bezeichnen. Er verlangte deren Erneuerung, zugeschnitten auf die Interessen Amerikas, nachdem Trump sah, dass die Verbündeten ihn herausforderten. Er forderte die Aufnahme Russlands, das von den USA selbst mit Sanktionen belegt wurde und 2014 für dessen Austritt sie aufgrund der Annexion der Krim gesorgt hatten. Trump forderte auch, die G7 durch die Aufnahme Südkoreas, Indiens und Australiens zu erweitern, um diese Staaten gegen die europäischen Verbündeten, die begonnen haben, Amerika herauszufordern und Kanada mit sich zu ziehen, einzusetzen. Zwischen ihnen kam es zu harten Debatten und Angriffen, so wie es bei den G7-Treffen der letzten drei Jahre zwischen Italien, Brüssel, Kanada und Frankreich der Fall war. Deutschland, Großbritannien und Frankreich lehnten die Aufnahme der erwähnten Staaten in die G7-Gruppe ab und weigerten sich, an dem für den vergangenen Juni geplanten Gipfel teilzunehmen. Dadurch war Trump gezwungen, das Treffen auf September zu verlegen, was wiederum ein Zeichen dafür ist, dass der Respekt der Verbündeten und damit der Respekt der gesamten Welt gegenüber den USA nachgelassen hatte. Und es ist ein Hinweis darauf, dass diese Staaten die wackelnde Position Amerikas erkannt haben, sodass sie die USA herausfordern konnten.

Zudem ließen die USA die Zweistaatenlösung für Palästina fallen, obwohl sie es waren, die diese Lösung 1959 ins Leben rief und darauf hinarbeitete, sie in die Tat umzusetzen und alle Seiten und die ganze Welt dazu brachte, sie zu akzeptieren. Das Scheitern dieser Lösung wurde offensichtlich, trotz der seit sechzig Jahren laufenden Anstrengungen, sie zu realisieren. So hatten die USA den britischen Plan eines demokratisch-säkularen Staates für Muslime, Christen und Juden nach libanesischem Muster zu Fall gebracht, um das US-Projekt durchzusetzen. Sie schafften es sogar, die Briten dazu zu bringen, die amerikanische Lösung zu adaptierten, sodass diese den ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair zum Kopf des Nahost-Quartetts ernannten, dem auch die USA, Russland und die EU angehörten, um der Zweistaatenlösung zum Durchbruch zu verhelfen. Am 28.01.2020 wurde schließlich der Jahrhundertdeal verkündet, der jedoch von keinem Staat befürwortet wurde. Europa lehnte ihn ganz offen ab, ebenso Russland. Das deutet darauf hin, dass die Großmächte ebenso wie andere Staaten, sich in der Lage sehen, US-Projekte abzulehnen, nicht wie in der Vergangenheit, wo jeder Staat sich amerikanischen Projekten beugen musste.

Quelle: Al-Raya/Ausgabe 305/23.09.2020

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