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deutschsprachigen Raum
H. 20 Rabi' I 1429 | No: 023 |
M. Samstag, 29 März 2008 |
Offener Brief an Herrn Erich Kocina - „Die Presse" Wes Geistes Kind?
Sehr geehrter Herr Kocina!
Offenbar muss Sie mein Vortrag, den ich am 14.03.2008 im Haus der Begegnung gehalten habe, wirklich beschäftigt haben, ansonsten hätten Sie nicht gleich in drei Artikeln darüber berichtet bzw. diesen kommentiert. Dass Sie es aus purer Muße und Langeweile getan haben, möchte ich Ihnen wirklich nicht unterstellen. Trotzdem wundert es, wie solch einseitig verfasste, undifferenzierte Artikel in einer Tageszeitung wie „Die Presse" veröffentlicht werden können. Einer Zeitung, die für sich in Anspruch nimmt, seriös und ausgeglichen zu berichten. Ein achtbarer Journalist, wie Sie es zweifellos von sich behaupten, sollte vor allem bemüht sein, Ereignisse präzise darzustellen und getätigte Aussagen ihrem situationsbedingten Zusammenhang entsprechend wiederzugeben, ohne sie pauschal zu einem Großaufhänger zu plakatieren, der die Veranstaltung in einem total verzerrten Bild erscheinen lässt.
So habe ich während meines gesamten fast siebzig minütigen Vortrages Israel und den Nahostkonflikt mit keinem Wort erwähnt. Auch islamische Strafgesetze wurden darin kein einziges Mal angesprochen. Diese Dinge waren weder Thema noch Inhalt dieser Veranstaltung, die von Ihnen so sehr kritisiert wurde. Jeder, der ihr beiwohnte, kann dies bestätigen. Die Erwähnung meines Standpunktes zum Staate Israel war eine Antwort auf eine gezielte Frage aus dem Publikum und zwar in der auf den Vortrag folgenden Diskussion.
Auch das Kalifat war nicht wirklich Gegenstand meines Vortrages. Wenn Sie dabei gewesen sind, werden Sie das sicherlich bestätigen können.
Dass Sie die Veranstaltung aber nun so darstellen, als sei es fast ausschließlich um diese Dinge gegangen, ist schlichtweg unwahr und eine Verdrehung von Tatsachen. Ein Umstand, der nicht unbedingt für Ihren journalistischen Anstand spricht.
Zudem rügen Sie in Ihrem Kommentar offen die „kleine Sehschärfe bei Extremisten" und fordern erbost, dass, wenn „radikale und fragwürdige Thesen vom Podium aus verbreitet werden", der Vermieter „einschreiten" müsse und die Veranstaltung nicht zustande kommen lassen dürfe.
Erlauben Sie uns nun, dass wir Ihrer „Sehschärfe" ein bisschen auf die Sprünge helfen und bezüglich unseres Standpunktes zum Staat Israel, den Sie als „radikal und fragwürdig" bezeichnen, nicht etwa die Opfer, sondern die Täter selbst zu Wort kommen lassen:
So stellte der bekannte israelische Publizist und Wirtschaftsexperte Joram Ben Porath in der Tageszeitung „Yediot Aahronot" am 14. Juli 1972 Folgendes fest:
"Es ist die Pflicht israelischer Führer, der öffentlichen Meinung klar und mutig eine bestimmte Anzahl Tatsachen zu erklären, die mit der Zeit in Vergessenheit geraten sind. Die erste ist, dass es keinen Zionismus, Kolonisation oder einen jüdischen Staat geben kann, ohne die Ausweisung der Araber und ohne die Enteignung ihres Landes."
Auch der legendäre israelische Verteidigungsminister und Held des Sechstagekrieges von 1967, Moshe Dayan, fand zum Gründungsprozess Israels klare Worte:
"Jüdische Städte wurden an Stelle von arabischen Städten gebaut. Sie wissen selbst nicht mehr die Namen dieser arabischen Städte und ich kann sie dafür nicht tadeln, weil die Geographiebücher nicht mehr existieren. Nicht nur die Bücher existieren nicht mehr, die arabischen Städte sind auch nicht mehr dort. Nahlal entspringt an Stelle von Mahlul; Kibbutz Gvat an Stelle von Jibta; Kibbutz Sarid an Stelle von Huneifis und Kefar Jehushua an Stelle von Tal al-Shuman. Es gibt nicht einen einzigen Platz in diesem Lande, der keine frühere arabische Bevölkerung hatte." (Ex-Verteidigungsminister Moshe Dayan anlässlich einer Rede vor dem Technion, Haifa, veröffentlich in der israelischen Tageszeitung „Haaretz" am 4.4.1969).
Auf den Punkt gebracht hat es schließlich ihr Staatsgründer selbst, David Ben Gurion:
„Wenn ich ein arabischer Führer wäre, würde ich niemals Frieden mit Israel schließen. Das ist ganz natürlich: Wir haben ihr Land genommen. [...] Es gab Antisemitismus, die Nazis, Auschwitz, aber war das deren Schuld? Das Einzige, was die sehen ist: Wir kamen her und stahlen ihr Land. Warum sollten die das akzeptieren?" (David Ben Gurion, nach: Nahum Goldmann, The Jewish Paradox, London 1978, S. 99).
Nun, Herr Kocina, ist es nach diesen klaren Aussagen immer noch so „radikal" und „fragwürdig", vom Unrechtsstaat Israel zu sprechen, der durch Landraub entstanden ist? Wird dies nicht von den Tätern selbst ganz unumwunden zugegeben?
Zudem verlangen Sie noch allen Ernstes, dass solche „Thesen" in einem Veranstaltungsort wie dem „Haus der Begegnung" nicht verbreitet werden dürften und der Vermieter einschreiten sollte, um so eine Veranstaltung gar nicht erst zustande kommen zu lassen. Nun muss doch mit Recht die Frage erlaubt sein, wem hier eigentlich die Sehschärfe fehlt?
Zur Ihrer Frage „wes Geistes Kind?" sei noch Folgendes gesagt:
In unserer Literatur sprechen wir von zwei Ereignissen, die die islamische Welt schwer erschüttert und in ihr einen fundamentalen Denk- und Kumulationsprozess eingeleitet haben, aus dem schließlich Änderungsbewegungen hervorgegangen sind. Das erste Ereignis war die Zerstörung des Kalifats 1924 durch die Hand Mustafa Kemals und das zweite die Gründung des Staates Israel 1948 auf dem Boden Palästinas. Nur fünf Jahre danach, 1953, ist Hizb-ut-Tahrir in Jerusalem gegründet worden.
Also, Herr Kocina, wes Geistes Kind sind wir?
In Ihren Artikeln zitieren Sie auch selbsternannte Islamvertreter, die behaupten, Hizb-ut-Tahrir würde „politische Ideen zu religiösen Dogmen erheben". Die „offizielle Vertretung des Islam" in Österreich distanziere sich sogar von uns. An die Adresse dieser Leute seien folgende Hadithe des Gesandten Muhammad, Friede sei mit ihm, gerichtet:
„Wer stirbt und keinen Imam (Kalifen) über sich hat, der stirbt den Tod vorislamischer Unwissenheit." (Von Ahmad tradiert)
„Und wer stirbt, ohne im Nacken eine Bai'a (dem Kalifen geleisteter Treueeid) zu tragen, stirbt einen Tod vorislamischer Unwissenheit." (Von Muslim tradiert)
„Die Kinder Israels sind von Propheten betreut worden. Immer wenn ein Prophet starb, folgte ihm ein anderer. Nach mir wird aber kein Prophet mehr kommen. Es wird aber Kalifen geben, und deren Zahl wird groß sein." Sie fragten: „O Gesandter Allahs, was befiehlst du uns?" Er antwortete: „Erfüllt die Bai'a des jeweils Ersteren. Und gebt ihnen ihr Recht. Denn Allah wird sie über das zur Rechenschaft ziehen, was Er in ihre Obhut gelegt hat." (Von Muslim tradiert)
Auch unzählige frühere und heutige Gelehrte haben unmissverständlich die religiöse Pflicht zur Gründung des Kalifats hervorgehoben. Erwähnt sei hier lediglich die Fatwa des Herrn Dr. Yusuf Al-Qardawi, der auch bei Vertretern des offiziellen Islam in Österreich in Ehren steht:
„Zu den wichtigsten Pflichten und liebsten Gehorsamkeiten Allah gegenüber zählt, dass das Kalifat der Muslime zurückkehrt und dass jeder sich mit all seinen Kräften und Fähigkeiten für die Wiedererrichtung des Kalifats einsetzt."
Angesichts solcher klarer Aussagen des Propheten und muslimischer Gelehrter, von denen es noch viele andere gibt, sollten sich diese Leute die Frage stellen, inwiefern es sich beim Kalifat wirklich nur um eine „politische Idee" und um kein religiöses Dogma handelt. Auch sollten sie Acht geben, dass sie sich mit ihren Statements nicht nur von uns, sondern im Grunde vom Islam distanzieren.
DI Shaker ASSEM
Mediensprecher von Hizb-ut-Tahrir
im deutschsprachigen Raum
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