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 Antwort auf eine Frage

Die Bedeutung der Begriffe ḥukm und baiʿa

Frage:

1. Im Buch „Das Regierungssystem im Islam“ wird erwähnt, dass die arabischen Begriffe ḥukm, mulk und sulṭān dieselbe Bedeutung hätten (nämlich Macht und Herrschaft). Die Frage ist nun die: Ist dies die sprachliche oder die konventionelle Bedeutung des Ausdrucks ḥukm? Wenn er nun beide Bedeutungen beinhaltet, handelt es sich dann um einen äkuivoken, also mehrdeutigen bzw. doppelsinnigen Begriff (lafẓ muštarak)?

2. Der Ausdruck baiʿa im Hadith bedeutet den Vertrag zwischen dem Kalifen und der Umma. Ist dies die sprachliche oder islamrechtliche Bedeutung? Mit anderen Worten: Handelt es sich dabei um eine linguistische (ḥaqīqa luġawīya) oder islamrechtliche Terminologie (ḥaqīqa šarʿīya)?

Antwort:

a) Der Ausdruck ḥakama (Stammwort von ḥukm), den die Araber sprachlich, d. h. als linguistischen Terminus, festgelegt haben, bedeutet richten (qaḍā):

Im arabischen Sprachlexikon „Lisān al-ʿarab“ steht: Al-ḥukm ist das Wissen (ʿilm), das Verstehen (fiqh) und das Richten (qaḍāʾ) in Gerechtigkeit. Es ist das Nomen verbi (inneres Objekt - maṣdar) des Stammverbs ḥakama yaḥkumu.Qaḍā: al-qaḍāʾ ist das Richten: al-ḥukm.

Im Wörterbuch „al-Qāmūs al-muḥīṭ“ wird ausgeführt: Al-ḥukm ist das Richten (al-qaḍāʾ)

Und im „Muḫtār aṣ-ṣiḥāḥ“ heißt es: Al-ḥukm ist das Richten (al-qaḍāʾ). So sagt man: „Qad ḥakama bainahum yaḥkumu ḥukman.“ D. h. er richtete zwischen ihnen und fällte ein Urteil.“ Man sagt auch: „Ḥakama lahu“. (Er fällte das Urteil zu seinen Gunsten.) Und: „ḥakama ʿalaihi.“ (Er fällte ein Urteil über ihn.)

b) Jedoch wurde dieser Ausdruck zu Beginn der islamischen Epoche konventionell in der Bedeutung von Macht und Herrschaft verwendet, d. h. als Synonym für die Ausdrücke mulk und sulṭān. Und eine konventionelle Festlegung wird als konventionelle Terminologie (ḥaqīqa ʿurfīya) oder auch als Fachbegriff (iṣṭilāḥ) bezeichnet.

Demzufolge war die Verwendung des Ausdrucks ḥukm in der Zeit des Gesandten Allahs (s), der Rechtgeleiteten Kalifen und der Araber nach ihnen in der Bedeutung von Macht und Herrschaft konventioneller Natur. Es handelt sich also (in dieser Bedeutung) um einen konventionellen Begriff.

c) Ein Ausdruck wird (im Arabischen) nur dann als äkuivok (mehrdeutig -muštarak) bezeichnet, wenn alle seine Bedeutungen in ihrem Ursprung linguistisch - d. h. nicht konventionell - festgelegt wurden. Mit anderen Worten, wenn es sich bei allen unterschiedlichen Bedeutungen um linguistische Terminologien handelt, nicht aber, wenn z. B. eine Bedeutung linguistischer und die andere konventioneller Natur ist. Beispiel dafür ist der Ausdruck dābba. Ursprünglich legten die Araber diesen Begriff für alles fest, was auf der Erde wandelt. Danach einigten sie sich konventionell darauf, ihn nur für die Tiere zu verwenden, die auf vier Beinen laufen, womit der Mensch ausgeschlossen wurde. Nun kann nicht behauptet werden, der Ausdruck dābba sei ein mehrdeutiger Begriff, der sowohl auf alles zutrifft, was auf Erden wandelt, als auch speziell auf das Tier, das sich auf vier Beinen fortbewegt. Denn die Araber haben den Ausdruck dābba nicht für beide Bedeutungen sprachlich festgelegt, sondern nur für eine, nämlich für alles, was auf Erden wandelt. Erst die Konvention legte den Begriff für die zweite Bedeutung fest, nämlich für das Tier, das sich auf vier Beinen fortbewegt. Somit wird der Ausdruck dābba in der zweiten Bedeutung als konventionelle Terminologie (ḥaqīqa ʿurfīya) bezeichnet.

Zusammenfassend ist zu sagen, dass der mehrdeutige Begriff (lafẓ muštarak) jener ist, dessen sämtliche Bedeutungen von den Arabern als linguistische Terminologien ursprünglich festgelegt wurden, nicht aber, wenn eine Bedeutung linguistischer und die andere allgemein konventioneller (ḥaqīqa ʿurfīya ʿāmma) oder spezifisch konventioneller (ʿurfīya ḫāṣṣa) Natur ist. Letzteres bezeichnet man gängig als Fachbegriff (iṣṭilāḥ). In so einem Fall spricht man (im Arabischen) nicht von einer Mehrdeutigkeit (ištirāk).

Demzufolge ist der Ausdruck ḥukm kein äquivoker Begriff für das Richten und das Herrschen. Vielmehr ist er eine linguistische Terminologie (ḥaqīqa luġawīya) in der Bedeutung von Richten und eine spezifisch konventionelle in der Bedeutung von Macht und Herrschaft. Letztere wird als iṣṭilāḥ bezeichnet.

2. Was den Ausdruck baiʿa anlangt, so handelt es sich um einen islamrechtlichen Begriff (ḥaqīqa šarʿīya) und nicht um einen spezifisch konventionellen. Denn seine Bedeutung wurde vom islamischen Recht festgelegt und nicht von der Konvention. Dazu die folgende Darlegung:

Baiʿa ist sprachlich vom Wort baiaʿa abgeleitet worden, was kaufen und verkaufen bedeutet:

Ba ya ʿa: „bāʿa aš-šaiʾa baiʿatan, baiʿan wa mabīʿan“ bedeutet, etwas zu verkaufen.„Bāʿahu“ bedeutet aber auch, etwas zu kaufen. Das Wort zählt also zu den Ausdrücken mit gegensätzlicher Bedeutung (aḍdād).„Bāyaʿahu“ bedeutet ebenso kaufen und verkaufen. Dasselbe gilt für „tabāyaʿā“. Zitiert aus dem Sprachlexikon „Muḫtār aṣ-ṣiḥāḥ“.

Bāʿahu yabīʿuhu baiʿan wa mabīʿan“ bedeutet etwas zu kaufen oder zu verkaufen. Es ist ein Wort mit gegensätzlicher Bedeutung. Zitiert aus dem Sprachlexikon „al-Qāmūs al-muḥīṭ“.

Ba ya ʿa: al-Baiʿ ist das Gegenteil von Kaufen (aš-širāʾ). Baiʿ kann aber auch Kaufen bedeuten. Es zählt zu den Wörtern mit gegensätzlicher Bedeutung.„Biʿtu aš-šaiʾa“ bedeutet, eine Sache zu kaufen. Davon auch: „Abīʿuhu baiʿan wa mabīʿan.“ Zitiert aus dem Sprachlexikon „Lisān al-ʿarab“.

Das islamische Recht hat diesem Ausdruck jedoch eine neue Bedeutung gegeben, und zwar die Methode mit der die Aufstellung des Kalifen erfolgt. Diese Methode steht mit dem Koran, der Sunna und dem Konsens der Prophetengefährten (iğmāʿ aṣ-ṣaḥāba) fest und wird als baiʿa bezeichnet.

So erfolgt die Aufstellung des Kalifen durch die baiʿa, die ihm von den Muslimen geleistet wird, auf dass er mit dem Buche Allahs und der Sunna Seines Gesandten regiere. Mit den Muslimen sind hier die vom früheren Kalifen betreuten muslimischen Bürger (raʿīya) gemeint. Dies für den Fall, dass das Kalifat bereits existiert. Sollte es noch nicht existieren, dann sind es die muslimischen Bewohner des Landes, in dem das Kalifat gegründet wird.

Das bedeutet, dass der Ausdruck baiʿa durch die Belege aus Koran, Sunna und dem Konsens der Prophetengefährten eine (neue) islamrechtliche Bedeutung erhalten hat:

Der Erhabene sagt:

﴿إِنَّ الَّذِينَ يُبَايِعُونَكَ إِنَّمَا يُبَايِعُونَ اللَّهَ يَدُ اللَّهِ فَوْقَ أَيْدِيهِمْ

Wahrlich, diejenigen, die dir den Treueid (baiʿa) leisten, sie leisten ihn in der Tat Allah; Allahs Hand ist über ihren Händen. (48:10)

Al-Buḫārī berichtet von ʿUbāda ibn aṣ-Ṣāmit, der sagte:

«بايعْنا رسولَ الله صلى الله عليه وسلم على السمع والطاعة، في المنشط والمكره، وأن لا ننازع الأمر أهله، وأن نقوم أو نقول بالحق حيثما كنا، لا نخاف في الله لومة لائم»

Wir leisteten dem Gesandten Allahs (s) die baiʿa zu hören und zu gehorchen, und zwar im Liebsamen wie im Unliebsamen, und dass wir die Befehlsgewalt denjenigen, die sie innehaben, nicht streitig machen und dass wir uns – wo immer wir sind - mit der Wahrheit erheben bzw. sie aussprechen und in Allah den Tadel eines Tadelnden nicht fürchten. Und Muslim berichtet von Abū Saʿīd al-Ḫudrī, der sagte: Es sprach der Gesandte Allahs (s):

«إذا بويع لخليفتين فاقتلوا الآخر منهما»

Wenn zwei Kalifen die baiʿa geleistet wird, so tötet den zweiten von ihnen.

Die Texte aus Koran und Sunna sind somit klar in der Aussage, dass die Methode zur Aufstellung des Kalifen die baiʿa ist. Das haben auch alle Prophetengefährten so verstanden und sind dem gefolgt. Die baiʿa der Rechtgeleiteten Kalifen ist ein klarer Beweis dafür.

Demzufolge ist baiʿa in dieser Bedeutung zu einer islamrechtlichen Terminologie (ḥaqīqa šarʿīya) geworden. Denn die Festlegung einer islamrechtlichen Terminologie wird - wie wir es dargelegt haben - aus dem islamischen Recht abgeleitet.

1. Šaʿbān 1433 n. H.

20/6/2012

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