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بسم الله الرحمن الرحيم

Antwort auf ein Frage

Das türkisch-russische Abkommen zum S-400-Deal und seine Bedeutung

Washington: Die Vereinigten Staaten setzen die Auslieferung der Kampfjets F-35 an die Türkei aus. (…) „In Erwartung einer eindeutigen türkischen Entscheidung, auf die Lieferung der S-400 zu verzichten, sind die Lieferungen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der mit der F-35 verbundenen operativen Fähigkeiten der Türkei ausgesetzt worden,“ erklärte ein Sprecher des Pentagon und fügte hinzu: „Unser Dialog in dieser wichtigen Angelegenheit mit Ankara wird fortgesetzt.“ (i24news.tv, 01.04.2019)

Frage: Der türkisch-russische Vertrag über einen S-400-Deal ist bereits seit September 2017 im Gespräch. Damals hatten die Amerikaner jedoch noch keine großen Einwände, sondern blieben eher reserviert. Was hat die USA nun fast anderthalb Jahre später dazu bewogen, eine solch strikte Position einzunehmen, ja fast schon in Drohhaltung gegenüber der Türkei aufzutreten, falls es bei dem Geschäft mit Russland bleiben sollte? Ğazāk Allāhu ḫairan.

Antwort: Um die Antwort zu verdeutlichen, wollen wir folgende Punkte anführen:

1. Russlands Aggression gegen Syrien begann im Einvernehmen mit den USA am 30. September 2015. Denn: unmittelbar davor, am 29.09.2015, fand ein 90-minütiges Treffen zwischen Obama und Putin statt. (…) Während die erste Hälfte für die Ukraine-Krise vorgesehen war, konzentrierten sich die beiden Präsidenten in der restlichen Zeit auf die Lage in Syrien. Die Ergebnisse dieses Treffens wurden umgehend sichtbar. Am 30.09.2015 stimmte der russische Föderationsrat einstimmig dem Antrag Putins zu, die russische Luftwaffe in Syrien einzusetzen. (RT, 30.09.2015) Es war den USA bewusst, dass die Russen, sollte sich der Krieg in Syrien hinziehen und ihnen der syrische Sumpf immer mehr zu schaffen machen, sie zu überhasteten, für die Amerikaner unkalkulierten Aktionen greifen könnten. Erdogans Türkei sollte daher die Russen für sie im Auge behalten, damit der Rhythmus, den die Russen dort spielen, innerhalb der amerikanischen Grenzen verläuft. Die USA haben die Türkei daher instruiert, mit Russland eine Art Allianz einzugehen, um darauf zu achten, dass die russischen Angriffe die ausgemachten Grenzen nicht überschreiten, was bedeutet, die angesammelte Opposition in Idlib nicht zu eliminieren, solange der von den Amerikanern geschmiedete Plan für eine endgültige Syrien-Lösung nicht umgesetzt wurde. Denn die Amerikaner wollen sich eine Opposition bewahren, um die Verhandlungen mit dem Regime zu führen, wenn es zur endgültigen Lösung kommt.

2. Die Problematik allerdings war, dass die Türkei nach außen auf Seiten der Opposition zu stehen schien, während Russland auf Seiten des Regimes stand. Das bedeutet, dass sie eigentlich als Gegner auftraten. Und so kam es zu einer Eskalation, als am 24.11.2015 ein russisches Militärflugzeug von türkischen Piloten abgeschossen wurde und Erdogan auf der Welle mitritt, indem er es (anfangs) ablehnte, sich zu entschuldigen. Die USA jedoch hatten ein starkes Interesse daran, dass die Türkei und Russland sich vertragen und waren der Meinung, die Türkei müsse sich bei den Russen entschuldigen und sich ihnen annähern. Und genauso kam es: Nachdem die Türkei immer wieder betont hatte, dass der russische Kampfjet türkischen Luftraum verletzt habe und Moskau somit kein Recht auf eine Entschuldigung hätte, gab sie am 27.06.2016 schließlich nach und entschuldigte sich. Kremlsprecher Dimitri Peskow erklärte: „Der türkische Staatspräsident Erdogan übermittelt der Familie des getöteten russischen Piloten sein Mitgefühl und sein tiefstes Beileid und entschuldigte sich.“ Er werde alles in seiner Macht stehende tun, um die traditionell freundschaftlichen Beziehungen zwischen der Türkei und Russland wiederherzustellen, führte Peskow Erdogans Worte an. (Al-Arabiya, 27.06.2016) Darüber hinaus gab es eine Art Entschädigung: Der Bürgermeister des türkischen Badeortes Kemer schlug am Freitag während eines Treffens mit dem russischen Generalkonsul in der Stadt Antalya vor, der Familie des ums Leben gekommenenPiloten, ein Haus zu übertragen. (RT, 01.07.2016) Nachdem also Putin für die Türkei der Feind schlechthin war, der die Bevölkerung, besonders jene in Djabal Turkman (die ja türkischstämmig ist), bombardierte, wurde nun freundschaftlich miteinander kommuniziert. Am 29.06.2016 nahm dann Staatspräsident Erdogan telefonisch Kontakt mit Putin auf: Laut Quellen aus dem türkischen Präsidialamt lief das Telefonat in äußerst freundschaftlicher Atmosphäre ab. (Al-Arabi al-Jadid, 29.06.2016) Von da an traten Russland und die Türkei als befreundete Staaten auf. Erdogan spricht nun Putin als „seinen Freund“ an, während die Muslime in Syrien einem russischen Dauerbombardement ausgesetzt sind!

3. Dies war der Beginn einer engen Freundschaft. Von nun an ließ sich Erdogan auf Abkommen und gemeinsame Treffen mit Putin ein. In einer früheren Antwort auf eine Frage vom 05.02.2017 führten wir aus:

Diese Rolle, den USA als treuer Mitläufer gefügig zu sein, hat die Türkei weiterhin inne, auch nachdem am 09.11.2016 der Sieg Trumps als neuer Präsident verkündet wurde. Von türkischer Seite wurde niemals auch nur in Erwägung gezogen, nach Trumps Amtsantritt am 20.01.2017 etwas daran zu ändern. () Da sich Trump während seines Wahlkampfs Russland gegenüber von seiner sanften Seite zeigte, ging Russland davon aus, dass die Terminierung des Astana-Treffens nach Trumps Amtsantritt bedeuten würde, dass dort hochrangige US-Repräsentanten unter den Anwesenden wären und die Konferenz eine gewisse Aufwertung erführe. Russland fieberte daher der Amtseinführung Trumps erwartungsvoll entgegen, in der Hoffnung, sein Außenminister nähme an dem Treffen teil. Russlands Wunschvorstellung war, dass der Gipfel von Astana mit Unterstützung Trumps zum Startschuss für umfassende Friedensverhandlungen zwischen der syrischen Opposition und dem Assad-Regime wird. (…) Dabei ist es nur der politischen Dummheit Russland geschuldet zu glauben, Trump würde es unterstützen! Und so richtete Russland eine Einladung an Washington, an der Konferenz teilzunehmen, und erwartete das Kommen einer hochrangigen Delegation. Dass das Trump‘sche Washington dann lediglich den US-Botschafter in Kasachstan zu den Verhandlungen nach Astana entsandte – und zwar nur als Beobachter! – war ein Schlag ins Gesicht Russlands. Die Verhandlungen von Astana begannen am 23.01.2017 und endeten am 24.01.2017 ohne nennenswerte Ergebnisse für einen Waffenstillstand. Die Angriffe auf Wadi Barada wurden sogar massiv verstärkt, und selbstverständlich war keine politische Lösung in Sicht. Die Verhandlungen von Astana erfüllten also bei weitem nicht die Erwartungen, die Russland an sie geknüpft hatte, und endeten mit dem Herumkreisen um den Waffenstillstand. (Ende des Zitats)

4. Das setzte sich bis Ende 2017 so fort. Dann verschärfte sich die Situation für Russland, und es ließ durchblicken, dass es den Rebellen in Idlib einen vernichtenden Schlag versetzen wollte. Das intensive Engagement der Russen ließ die USA sogar befürchten, die Russen könnten stur werden und den Amerikanern die Gefolgschaft aufkündigen. Sie würden dann womöglich zum letzten Sturm auf Idlib blasen, noch bevor die endgültige Syrien-Lösung Amerikas umgesetzt wurde. Daher war eine Annäherung der Türkei an Russland in dieser Etappe unabdingbar, und zwar so weit, dass eine Art Allianz entstehen sollte, damit eine vernichtende Offensive auf Idlib nur mit beiderseitigem Einverständnis möglich sein würde. Und so kam es zu dem Deal über den Kauf des S 400-Abwehrsystems, das einen Wert von ca. 2,5 Milliarden US-Dollar hat. Für Russland war es ein äußerst verlockendes Geschäft, da das Land mitten in einer Wirtschaftskrise steckt. Von Erdogans Seite wurde der Deal damit gerechtfertigt, dass seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 über die Hälfte der türkischen Militärpiloten in Haft sitze, sodass die türkische Luftwaffe nicht mehr genügend Piloten hätte, die imstande wären, alle Kampfjets des Typs F-16 zu fliegen, die sich im Besitz der Türkei befinden. So benötige die Türkei diesen Deal mit dem hochmodernen S-400-System, um den Pilotenmangel zu kompensieren und die Luftsicherheit der Türkei zu gewährleisten.

5. Die Freude Russlands war angesichts dieses Deals grenzenlos. Denn man war auf die materiellen Vorteile konzentriert, die sich daraus ergäben. Und bei dem S-400-Deal geht es immerhin um rund 2,5 Milliarden US-Dollar. Zudem möchte Moskau die durch die Sanktionen erlittenen Verluste, die von europäischer und amerikanischer Seite verhängt wurden, ausgleichen, ebenso wie die Verluste aus dem Boykott einiger Länder gegen russisches Erdöl und Gas. Dieser Deal bedeutete die Entstehung eines neuen engen Bandes zwischen der Türkei und Russland. Als Bedingung für den Deal forderte die Türkei allerdings die gemeinsame Produktion. Die türkische Zeitung „Aksham“ zitierte am 09.10.2017 den türkischen Außenminister Mevlüt Cavusoglu, wonach die Türkei nach einem anderen Staat Ausschau halten könnte, um in den Besitz eines Raketenabwehrsystems zu kommen, sollte Russland nicht mit einer gemeinsamen Herstellung des Systems vom Typ S-400 einverstanden sein. (DW, 09.10.2017) Russland lehnte ab, woraufhin die Türkei von ihrer Forderung wieder abließ und dem Deal schließlich zustimmte, um die bereits angelaufene russische Militäroffensive auf Idlib aufzuhalten. AFP: Mindestens 28 Zivilisten sind laut der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte in der Nacht von Freitag auf Samstag durch Luftschläge auf die Ortschaft Armanas in der Provinz Idlib ums Leben gekommen. Idlib gehört zu den Deeskaltionszonen im Nordwesten Syriens. Zwölf Tote listete die Beobachtungsstelle am Freitagabend auf. Die Provinz Idlib wurde im Rahmen des Astana-Abkommens zur Deeskalationszone erklärt und ist trotzdem von Russland bombardiert worden. Rami Abdulrahman, Leiter der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, wies darauf hin, dass „die Kampfflugzeuge einen zweiten Luftangriff gegen die Ortschaft Armanas in der Provinz Idlib durchgeführt hätten, wobei die Bombardierung unmittelbar nach dem ersten Angriff erfolgte, als die Maßnahmen zur Rettung der Verletzten und der Bergung der unter den Ruinen Verschütteten noch liefen.“ Weitere dreizehn Zivilisten sind nach Angaben der Beobachtungsstelle bei Bombardierungen unterschiedlicher Regionen in der Provinz umgekommen. Idlib ist seit zwei Wochen verstärkt russischen und syrischen Luftangriffen ausgesetzt. (Akhbar al-Khaleej, 30.09.2017) Somit wurde der Deal geschlossen, ohne sich auf eine gemeinsame Herstellung zu einigen! Erdogan teilte auf seiner Rückreise von einem Besuch der Ukraine und Serbiens mit, es werde in einer ersten Etappe des S-400-Systems, das die Türkei kaufen wird, zu keiner gemeinsamen Produktion kommen. Doch in der zweiten Etappe, so Erdogan, „werden wir Schritte bezüglich einer gemeinsamen Produktion einleiten.“ Das S-400 ist ein hochmodernes Raketensystem, das in der Lage ist, aus weiter Entfernung Ziele zu zerstören. Es kann bis zu dreihundert Ziele gleichzeitig anpeilen und Flugzeuge in einer Reichweite von drei bis 240 Kilometern zerstören. Darüber hinaus kann es alle Arten von Kampfflugzeuge zerstören und Flügelraketen abfangen. Über diese Zerstörungskapazitäten hinaus, benötigt das S-400-System lediglich fünf Minuten, bis eine Rakete startklar ist. Das russische Militär ist seit 2007 damit ausgestattet. (al-Jazeera, 29.12.2017)

6. Selbstverständlich reagierten die USA in Bezug auf den Vertrag gelassen und zurückhaltend, trotz der Tatsache, dass die Türkei Nato-Mitglied ist. Dass es innerhalb des westlichen Waffensystems in der Nato Waffen gibt, die aus Russland stammen, stellt eigentlich einen Widerspruch dar, gerade was das S-400-System betrifft, welches in der Lage wäre, das Waffensystem des westlichen Militärbündnisses zu durchdringen. Doch die USA und die Nato zeigten sich zum damaligen Zeitpunkt noch von der sanften Seite. Zwei Überlegungen spielten dabei eine Rolle: Erstens war es für die USA erforderlich, dass das Band zwischen der Türkei und Russland erhalten bleibt, um die Russen an einer Großoffensive auf Idlib zu hindern, bevor die von den Amerikanern geschmiedete Lösung für die Syrien-Krise zu Ende gebracht wird. Zweitens schließen es die Amerikaner aus, dass der Deal tatsächlich zustandekommt, solange die Türkei Nato-Mitglied ist. Die USA würden es der Türkei gar nicht gestatten, ein russisches Abwehrsystem in das westliche Waffen-System der Nato zu integrieren. Aufgrund dieser Punkte verhielten sich die USA und damit auch die Nato eher ruhig und zurückhaltend. (...) Washington hält sich weiterhin zurück, was die Anschaffung dieser Raketen durch die Türkei betrifft, während die Nato es als das Recht der Türkei betrachtet, sich Waffen anzuschaffen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Sicherheit benötigt, nachdem Ankara mitgeteilt hatte, dass das Hauptsystem nicht in das Nato-System integriert werden würde. (Al-Sharq al-Awsat, 28.12.2017)

7. Die Bilanz dieses Deals war, dass die russisch-türkischen Beziehungen wieder merklich auflebten und es an der Idlib-Front relativ ruhig wurde. Russland nahm nun an, dass die Freundschaft mit der Türkei und die gemeinsam geleiteten Verhandlungen, eine Lösung beschleunigen würden, die den Russen aus ihrem Schlamassel heraushelfen könnte. Doch die Situation blieb bis Ende 2018 unverändert. Und nichts änderte sich an dem Dilemma, in dem Russland steckte. Die Amerikaner ihrerseits schenkten den Verhandlungen, die stattfanden, keine besondere Aufmerksamkeit, erst recht nicht denen von Astana. Sie nahmen daran vielmehr als Beobachter teil - gleich einem Staat wie Jordanien - oder ließen sich durch ihren Botschafter in Kasachstan vertreten! Den Russen hingegen ist klar, dass es keine Lösung geben wird, solange die USA nicht auf ernsthafte Weise an den Verhandlungen teilnehmen. Anscheinend hatten die Russen dieses amerikanische Spiel durchschaut und die Entscheidung getroffen, Idlib zu stürmen. In ihrer Einfalt glaubten sie, die Türkei würde sich auf ihre Seite stellen und waren umso überraschter von der Verweigerungshaltung der Türkei. Und so beorderten sie ihre Truppen wieder zu ihren Stützpunkten zurück! Diesen Sachverhalt hatten wir in einer früheren Antwort vom 22.09.2018 dargelegt:

Nachdem man es aber geschafft hatte, die bewaffnete syrische Revolution auf Idlib zu reduzieren und dort einzuzwängen und Russland gewillt war, sein militärisches Vorgehen fortzusetzen - es mobilisierte seine Truppen, drohte, führte im Mittelmeer mit großen Kriegsschiffen und strategischen Bombern Militärmanöver durch und sperrte den Luftraum im östlichen Mittelmeer (das erste Mal in der Geschichte Russlands) -, fand sich Russland plötzlich in einem großen Dilemma wieder, da Dinge eingetreten waren, die Russland nicht auf seiner Rechnung hatte. Dazu gehören:

a) (…) So stemmte sich die Türkei gegen einen Großangriff: Der türkische Minister war der Ansicht, dass die „Terroristen“ identifiziert und dann bekämpft werden sollten und dass ein großangelegter Krieg gegen Idlib und eine willkürliche Bombardierung nicht richtig seien. (Enab Baladi, 14.08.2018). Der Widerstand der Türkei gegen einen Krieg trat besonders deutlich während der Teheran-Konferenz zwischen den drei Präsidenten Russlands, Irans und der Türkei zutage. Die Türkei brachte dabei – und das auf eine Weise, die die Russen überraschte - ihre Befürchtungen hinsichtlich einer kriegerischen Offensive auf Idlib zum Ausdruck sowie einer Flüchtlingswelle, von der die Türkei dann betroffen wäre. Auch brachte die Türkei Russland mit dem Argument in Verlegenheit, dass die Militäroffensive ein Instrument sei, um die politische Lösung in Syrien zu zerstören: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte am heutigen Freitag, dass eine Fortsetzung der Angriffe auf die Rebellenprovinz Idlib zu einem Kollaps des politischen Prozesses in Syrien führen würde. (Al-Yaum al-Sabi´, 07.09.2018) Und mit Verschärfung des Tons der USA gegen die russischen Kriegsabsichten in Idlib, begann die Türkei damit, ihre dortigen Beobachtungsposten stärker aufzurüsten. Bei diesen handelt es sich um Kontrollstationen, auf die man sich mit Russland und dem Iran im Rahmen des Abkommens zur Einrichtung von Deeskalationszonen geeinigt hatte. Berichten von Sky News Arabiya zufolge, die sich auf lokale Quellen und Zeugen berufen, habe sich eine türkische Militärkolonne in Bewegung gesetzt. Sie sei in Richtung Idlib unterwegs, das sich in Grenznähe zur Türkei befindet und von syrischen Oppositionskräften und weiteren Einheiten gehalten wird. Die Quellen gaben an, der türkische Militärkonvoi bestehe aus Panzern, Militärgerät und Munition und sei über das Dorf Kafr Lusin in syrisches Gebiet eingefahren. Er sei im nördlichen Syrien Richtung Idlib und der umliegenden Provinz unterwegs. (Sky News Arabi, 09.09.2018) Die Türkei hat damit russische Ambitionen durchkreuzt, die bewaffneten Rebellengruppen in Idlib zu zerschlagen. Daher wurde ein zweiter, diesmal russisch-türkischer Gipfel für den 16.09.2018 in Sotschi anberaumt, lediglich neun Tage nach dem Zusammentreffen in Teheran.

b) Die USA wollen, dass Russland in Syrien gefangen bleibt, außerstande von dort herauszukommen, solange die USA nicht ihre eigene selbstgeschmiedete politische Lösung durchgesetzt haben. (…) Diese US-Politik ist den Russen mittlerweile bewusst geworden. Und möglicherweise haben sie erkannt, dass Amerika sie in diese Lage gebracht hat. In der Tat hat sich Russland in Syrien festgefahren und kommt ohne Amerikas Erlaubnis von dort nicht raus. Amerika hat alle Möglichkeiten der Einflussnahme in Syrien in der Hand. Daher war es den Russen nicht möglich, die Offensive, die sie zur Beendigung der Idlib-Krise auf ihre eigene Weise vorbereitet hatten, zu vollenden. Denn die Türkei war, auf Veranlassung der USA, dagegen. Und der Iran - schwieg. (…) Und so scheiterte der Iran-Gipfel vom 07.09.2018, der den Russland-Plänen zum Durchbruch verhelfen sollte, nämlich Idlib zu stürmen und die Krise nach russischer Art zu beenden. Nur wenige Tage später kam es zum Putin-Erdogan-Gipfel und anstelle der Offensive sollten nun demilitarisierte Zonen eingerichtet werden. Amerikas Segen hatten sie. Die russische Nachrichtenagentur Novosti zitierte am 18.09.2018 einen Verantwortlichen aus dem US-Außenministerium: „Wir begrüßen es und ermutigen Russland und die Türkei dazu, praktische Schritte zu ergreifen, um eine militärische Offensive der Regierung Assads und seiner Verbündeten auf die Provinz Idlib zu verhindern (…).“ Russlands Präsident Wladimir Putin hatte am heutigen Montag die Einigung mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan verkündet, bis zum 15. Oktober eine „entmilitarisierte Zone“ in der nord-westlichen Region der Provinz Idlib einzurichten. Diese Zone soll unter die Aufsicht beider Länder kommen. Zum Abschluss des Treffens im russischen Badeort Sotschi verkündete Putin: „Wir haben beschlossen, auf einer Breite von 15 bis 20 Kilometern eine waffenfreie Zone zu schaffen, beginnend mit dem 15. Oktober diesen Jahres.“ Putin bezeichnete dieses Abkommen als „ernstzunehmende Lösung“, welche „einen Fortschritt bei der Lösung des Problems“ darstelle. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu teilte russischen Nachrichtenagenturen mit, dass durch diese Einigung, die seit Tagen erwartete Großoffensive auf die letzte Rebellenhochburg in Syrien abgewendet worden sei. Die Frage, ob diese Vereinbarung bedeute, dass keine Militäroffensive auf Idlib stattfinden werde, beantwortete der Minister laut „Interfax“ und „Tass“ mit „Ja.“ Parallel erklärte auch Erdogan im Anschluss an den bilateralen Gipfel auf der Pressekonferenz: „Russland wird die notwendigen Schritte einleiten, die garantieren, dass kein Sturm auf das Gebiet der entmilitarisierten Zone in Idlib stattfindet.“ (France 24, 17.09.2018)

Damit stoppten die Russen ihre Luftangriffe auf Idlib. Auch ihre Schiffe, die sich zu Militärübungen im Mittelmeer befanden, wurden abgezogen. (…) Mit anderen Worten: Die türkischen Bemühungen und damit die der USA zur Verhinderung der russischen Offensive auf Idlib dienen in erster Linie den Interessen der USA. Der Türkei ging es nicht darum, das Regime am Vormarsch nach Idlib zu hindern oder die Zivilbevölkerung zu schützen. Vielmehr wird der Türkei und den USA, sobald die gewünschte amerikanische Lösung in der Realität umgesetzt wurde und die Russen sich dieser Lösung gefügt haben, das Blut in Idlib ziemlich egal sein, sei es das Blut der Zivilisten oder Nicht-Zivilisten, in militarisierten oder entmilitarisierten Zonen. Die verschiedenen Regionen Syriens legen Zeugnis davon ab, die Verbrechen dieser Mächte eilen ihnen aus allen Gebieten voraus. (Ende des Zitats)

8. Damit haben sich die Amerikaner vergewissert, dass ihr Plan aufgegangen und die Türkei nun in der Lage ist, jede russische Offensive auf Idlib zum Scheitern zu bringen, solange die amerikanische Syrien-Lösung noch nicht vollendet wurde. Diese Lösung sieht vor, dass die USA einen neuen Vasallen hervorbringen, der dem Jetzigen nachfolgt und der darüber hinaus von der derzeitigen Opposition anerkannt wird. Das setzt natürlich voraus, dass eine Opposition erhalten bleibt, die mit dem Regime verhandelt, damit die neue Regierung entsprechend des amerikanischen Planes bestätigt wird. Aufgrund dessen bestand von Seiten der USA kein Bedarf mehr nach einer türkisch-russischen Kooperation. Russland war jetzt außerstande, Truppen zu mobilisieren und eine Offensive auf Idlib durchzuführen. Damit ist der Grund, wegen dem die Amerikaner zum russisch-türkischen S-400-Deal geschwiegen hatten, weggefallen. Und deswegen ist auch die amerikanische Haltung der Türkei gegenüber schärfer und drohender geworden, sollte das Geschäft so umgesetzt werden, dass ein russisches System in das Waffensystem des westlichen Militärbündnisses integriert wird. Der Ton der USA gegen den Deal wurde nun schärfer, obwohl er zum Zeitpunkt seines Abschlusses noch mild war. Denn 2017, als der Vertrag geschlossen wurde, war eine Annäherung zwischen der Türkei und Russland aus amerikanischer Sicht notwendig. Das hat sich nun geändert, und diese Notwendigkeit ist 2019 nicht mehr gegeben.

9. Zu den scharfen, öffentlich verkündeten Positionen gehören:

a) Verantwortliche aus den USA und der Nato warnten Ankara, dass das russische Waffensystem nicht mit dem Raketenabwehrsystem der Nato kompatibel sei und dass der Kauf von S-400 die Möglichkeiten der Türkei für den Kauf amerikanischer F-35-Kampfjets vom Hersteller „Lockheed Martin“ mindere. Dies könnte zu Sanktionen seitens Washingtons führen. (Sky News Arabiya, 26.02.2019)

b) Am 08.03.2019 betonte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums Charles Summers, dass die Türkei mit gefährlichen Konsequenzen zu rechnen hätte, sollte sie das russische Abwehrsystem erwerben. „Sollte die Türkei S-400 kaufen, wird es gefährliche Konsequenzen für die Beziehungen zu uns allgemein und für unsere militärischen Beziehungen im Besonderen haben. (…) Sie werden keine F 35-Kampfjets und keine Patriot-Raketen beziehen können.“ (DW, 08.03.2019)

c) Ein Verantwortlicher aus dem US-Außenministerium sagte am Dienstag, die USA hätten die Türkei darüber unterrichtet, dass ein weiteres Festhalten an dem S 400-Deal die türkische Beteiligung am F-35-Programm gefährde ebenso wie jedes künftige Waffengeschäft mit Washington.(...) Als erste US-Maßnahme zum Verbot einer Lieferung von F-35 Jets an die Türkei,, habe die USA die Zulieferung von Bauteilen für diese Kampfjets an Ankara gestoppt, so ein Sprecher des Pentagon am Montag. Zwei gut informierte Quellen berichteten gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters, amerikanische Verantwortliche hätten in den vergangenen Tagen ihre türkischen Amtskollegen darüber unterrichtet, dass sie keine weiteren Lieferungen von Bauteilen für die F-35 Jets erhalten würden. (…) Pentagon-Sprecher, Luftwaffen-Oberst Mike Andrews, teilte in einem Statement mit: „Bis ein unmissverständlicher türkischer Beschluss über einen Verzicht auf die S-400-Lieferung kommt, werden die Lieferungen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Bereitstellung der mit den F-35


verbundenen operativen Fähigkeiten der Türkei ausgesetzt werden.“ (Al-Arabiya net, 02.04.2019)

d) Robert Palladino, Sprecher des US-Außenministeriums, betonte, Washington sei bezüglich dieses Deals ernsthaft besorgt. Man werde die gemeinsame Herstellung der F-35-Flugzeuge mit der Türkei ebenso überdenken wie weitere zukünftige Waffengeschäfte. Ebenfalls erwähnte er, dass ein Staat, private Institutionen und auch einzelne Personen, die sich am Erwerb des S-400 Systems beteiligen, sich möglicherweise im Rahmen des CAATSA-Gesetzes Sanktionen unterwerfen müssten. (Kurdstreet, 11.03.2019)

10. Was in Bezug auf die Umsetzung des Deals zu erwarten ist, so bewegt es sich zwischen folgenden Möglichkeiten:

a) Die Türkei könnte den Deal mit Blick auf die tiefen politischen und wirtschaftlichen Verbindlichkeiten mit den USA stoppen. Sie könnte durch den Kauf taktischer russischer Waffen, wie z. B. Hubschrauber, den gestoppten S-400-Deal wiedergutmachen. Solche taktischen Waffen würden keine feindseligen Reaktionen seitens der Nato oder der USA nach sich ziehen und die Türkei würde an Verteidigungsausrüstung gelangen, die der Wahrung ihrer Sicherheit dienen. Patrick Shanahan, geschäftsführender Verteidigungsminister der Vereinigten Staaten, erklärte am heutigen Dienstag vor Journalisten: „Ich erwarte, dass wir das Problem lösen werden, sodass sie die adäquaten Verteidigungsequipments, die im Zusammenhang mit den Patriot-Raketen und den F-35-Flugzeugen stehen, erhalten. (Al-Arabiya net, 02.04.2019)

b) Von den Amerikanern könnte die „griechische Lösung“ vorgeschlagen werden. Anders ausgedrückt: Man würde die russischen Raketen einlagern und vor sich hinrosten lassen. Dafür müsste die Türkei von den USA Patriot-Batterien im Wert von 3,5 Milliarden US-Dollar kaufen. Hintergrund der russischen Raketen für Griechenland war der, dass Moskau ursprünglich Raketen an Zypern verkauft hatte, die es auch bezahlte. Doch durch den heftigen Widerstand aus Ankara sah sich Athen gezwungen, die Raketen bei sich zu bewahren, um eine gefährliche Eskalation mit der Türkei zu vermeiden. Auf die Türkei übertragen hieße das: Die Türken müssten neben den 2,5 Milliarden Dollar, die sie für die russischen Raketen ausgeben, auch die Kosten für die Patriot-Raketen auf sich nehmen! Diese Lösung wäre sicher im Sinne Trumps. Doch diese erdrückenden Ausgaben würden die türkische Regierung direkt in die Schusslinie der türkischen Opposition bringen, die sich dann berechtigt sähe, die Regierung der Verschwendung der Gelder des türkischen Volkes zu bezichtigen.

d) Es wäre möglich, dieses Raketenabwehrsystem an einen Drittstaat wie z. B. Indien auszuliefern, um Russland nicht zu verärgern. Das würde auch mit der US-Strategie in Einklang stehen, einen Ring um China zu errichten.

Allerdings scheint die erste Option die wahrscheinlichste zu sein. Denn es ist zu bemerken, dass die gegenwärtigen Aussagen, die von den betroffenen Seiten geäußert werden, den Weg für die erste Option bereiten. Dazu gehört die oben zitierte Erklärung Shanahans vom 2. April ebenso wie das Statement des stellvertretenden russischen Außenministers für Angelegenheiten der Waffenproduktion: „Es bereitet uns keine Sorge, dass die Türkei von dem S 400-Geschäft zurücktreten könnte.“ (al-Jazeera, 03.04.2019) Auch was al-Jazeera am selben Tag (03.04.2019) meldete, deutet auf diese Option hin: „Der Leiter des Verteidigungsausschusses in der russischen Duma, Wladimir Schamanov, schließt nicht aus, dass die Türkei auf das S 400-Abwehrsystem verzichten könnte.“ (Aljazeera.net, 03.04.2019) Ebenso berichtete Al-Arabiya al-hadath heute (04.04.2019): „Die Türkei ruft zu einer Arbeitsgruppe mit Washington auf, die die Gefahr der S 400-Abwehrraketen erörtern soll.“ All das legt den Schluss nahe, dass die erste Option die wahrscheinlichste ist, es nicht zum Raketengeschäft mit Russland kommt und der Deal aufgekündigt wird.

28.Rajab 1440 n. H.
04.04.2019
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