Media Office
im deutschsprachigen Raum
H. 10 Rajab 1439 | No: 58 |
M. Montag, 26 März 2018 |
Pressemitteilung
Eine Doktrin mit Sprengstoff
Der Brandanschlag vom 10.03.2018 auf die Koca Sinan Moschee in Berlin-Reinickendorf reiht sich ein in eine Serie von 44 Angriffen auf muslimische Einrichtungen in den vergangenen zwei Monaten. Eine entschlossene Reaktion von Politik und Medien, die bei einem politisch motivierten Gewaltakt zu erwarten wäre, blieb in diesem Fall jedoch aus. Angesichts paraphrasierter Äußerungen einzelner Politiker blickt die islamische Gemeinschaft besorgt in eine ungewisse Zukunft und fragt sich, ob die Bundesrepublik gewillt ist, Leib und Leben muslimischer Bürger zu schützen.
Das gesamte Ausmaß der Gewalt gegen Muslime und ihrer Begegnungsstätten offenbart sich durch die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke, die der Neuen Osnabrücker Zeitung vorliegt. Den Berichten zufolge, gab es im vergangenen Jahr 950 Angriffe auf Muslime und Einrichtungen wie Moscheen, bei denen 33 Menschen verletzt wurden. Die Behörden registrierten allein knapp 60 Anschläge, Schmierereien und Schändungen, etwa mit Schweineblut, auf Moscheen und sonstige Einrichtungen. In fast allen Fällen waren die Täter Rechtsextreme. […] Zu den erfassten Straftaten zählen Hetze gegen Muslime oder muslimische Flüchtlinge im Netz […], Drohbriefe, Angriffe auf Kopftuch tragende Frauen oder muslimische Männer auf der Straße, aber auch Sachbeschädigungen und Nazi-Schmierereien an Häusern und Moscheen. Hinzu kommen laut Angaben des Bundesinnenministeriums 2219 Angriffe auf Asylsuchende und assoziierte Einrichtungen im Jahr 2017. Dabei handelt es sich um 1906 Angriffe auf Flüchtlinge sowie 313 Anschläge und Überfälle auf Flüchtlingsunterkünfte, bei denen mehr als 300 Menschen verletzt wurden.
Vor dem Hintergrund dieser antimuslimischen Gewaltexzesse wären eine klare Solidarisierung mit der islamischen Gemeinschaft sowie eine kritische Evaluierung der polarisierenden Integrationspolitik zu erwarten gewesen. Stadtessen verlangte Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, in einem Interview vor der ausgebrannten Koca Sinan Moschee, dass Muslime Hass, Beleidigungen und Diffamierungen auszuhalten hätten und nicht ständig rumjammern sollten. Darüber hinaus sehe er keine Mitverantwortung deutscher Medien an der grassierenden Hetze gegen den Islam. Angesprochen auf die aktuelle Statistik des Bundesinnenministeriums erklärte Dregger: Ist mir nicht bekannt diese Zahl. In jedem Interview wächst die Zahl mit einer Null am Ende, ich glaube wir sollten bei den Fakten bleiben.
Zusätzlich wurden auch auf bundespolitischer Ebene brandgefährliche Signale gesendet, die auf eine weitere Verschärfung im Umgang mit Muslimen hindeuten. So erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am 16.03.2018, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Zwar gehörten die in der Bundesrepublik lebenden Muslime zu Deutschland, dies bedeute jedoch nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtsname unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben. Während es täglich zu Übergriffen auf muslimische Einrichtungen und Flüchtlinge kommt, suggeriert der Bundesinnenminister, dass die schiere Präsenz von Muslimen die deutsche Kultur zu zersetzen droht! Die durch Seehofer konstruierte Opferrolle intensiviert irrationale Ängste und verschafft selbsternannten Rettern des Abendlandes moralische Legitimität, deren Gewalttaten im Kern zur Selbstverteidigung verklärt werden. Die oft zitierte Gegendarstellung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, wonach der Islam inzwischen zu Deutschland gehöre, ist ebenso gefährlich und speist aus derselben Utopie einer uniformierten Gesellschaft. In ihrem TV-Duell am 3.09.2017 konkretisierte die Kanzlerin ihre Aussage und formulierte die entscheidende Bedingung: Aber einer, der verfassungskonform ist. Obwohl Art. 4 (1) GG die religiöse und weltanschauliche Bekenntnisfreiheit selbst im Falle einer verfassungsfeindlichen Gesinnung garantiert, erheben sämtliche Akteure der bundespolitischen Parteienlandschaft das Zwangsbekenntnis zum GG zur notwendigen Voraussetzung und durchgängigen Leitlinie einer zunehmend repressiven Integrationspolitik.
Der erstmalig von Otto Schily (SPD) geforderte Bekenntniszwang, führte zu einem Bruch zwischen der Mehrheitsgesellschaft und der islamischen Gemeinschaft, dessen Verwerfungen inzwischen auf allen Ebenen spürbar sind. Die soziopolitische Sprengkraft der Schily-Doktrin besteht in der Suggestion, dass das gesellschaftliche Zusammenleben nur unter der Voraussetzung weltanschaulicher Homogenität möglich ist. Folglich sei ein Kampf zweier Lebensmodelle im Gange, bei dem es nur einen Sieger geben kann. Es ist diese Denkfigur, die der Mehrheitsgesellschaft das Gefühl vermittelt, dass Muslime in der BRD systematisch daran arbeiten, die hiesige Grundordnung abzuschaffen, um sie durch ihre eigene zu ersetzen. Die Schily-Doktrin ist der politische Nährboden für eine irrationale Abwehrhaltung gegen alles, was auch nur im Entferntesten an den Islam erinnert. Hass, Hetze und gewalttätige Übergriffe gegen Muslime und ihre Einrichtungen sind die logische Folge einer totalitären Integrationspolitik, die keinen Raum für die Existenz anderer Bekenntnisse lässt.
Vor diesem Hintergrund fordert Hizb-ut-Tahrir die beteiligten Akteure auf, einen entschiedenen Kurswechsel einzuschlagen. Wir warnen eindringlich vor einem überwunden geglaubten Politikverständnis, in dem Ideen und Menschen zugunsten des eigenen Weltbildes vernichtet werden sollen. Anstatt das Existenzrecht islamischen Lebens in der Bundesrepublik in Frage zu stellen und es abschaffen zu wollen, fordert Hizb-ut-Tahrir die Abschaffung dieser gescheiterten Integrationspolitik mit all ihren verheerenden Folgen! Um die zunehmende Radikalisierung der eigenen Gesellschaft aufzuhalten, muss ein alternatives Modell des Zusammenlebens konzipiert werden, welches die Differenz unterschiedlicher Bekenntnisse vollständig akzeptiert und nicht als Bedrohung der eigenen Lebenswelt begreift.
10. Rağab 1439 n. H.
26.03.2018 n. Chr.
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