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بسم الله الرحمن الرحيم
Antwort auf eine Frage
Das Wort umma in der Sprachwissenschaft
In der „Präambel zur Verfassung“, Artikel 21, sagen wir Folgendes:
Auch handelt es sich bei dem Ausdruck „ğamāʿa“ (Gemeinschaft) um ein Gattungswort (ism ğins), d. h. irgendeine Gemeinschaft. Es ist also die Gattung „Gemeinschaft“ gemeint (…).
Diesbezüglich habe ich zwei Fragen:
1. Wäre es nicht korrekter, zu sagen: Auch handelt es sich beim Ausdruck „umma“ um ein Gattungswort, anstatt „ğamāʿā“. Denn der Sachverhalt hängt mit der Bezeichnung eines Ausdrucks aus einer āya zusammen. Müsste also der Ausdruck nicht so, wie er ist, verwendet werden?
2. In zahlreichen linguistischen Werken wird erwähnt, dass das Wort umma - so wie die Wörter ǧamāʿa (Gemeinschaft, Gruppe), qaum(Volk, Leute), rahṭ (Sippe), ṭā´ifa (Gruppierung) usw. - ein Kollektivum (ism ǧamʿ) bezeichnet und kein Gattungswort (ism ğins) ist. Warum betrachten wir also die Begriffe umma und ebenso ğamāʿa als Gattungsnamen und nicht als Kollektiva?
Antwort:
Zur ersten Frage lautet die Antwort wie folgt:
1. Das Wort umma ist ein mehrdeutiger Begriff und kann unterschiedliche Bedeutungen haben. Zu diesen gehört:
a) Gemeinschaft:﴾تِلْكَ أُمَّةٌ قَدْ خَلَت﴿Dies ist eine umma, die vergangen ist…(2:134). Gemeint ist hier: eine Gemeinschaft (ǧamāʿa).﴾ أُمَّةٌ يَدْعُونَ إِلَى الْخَيْر﴿Eine umma, die zum Guten aufruft.(3:104). Gemeint ist hier: eine Gemeinschaft (ǧamāʿa), die zum Guten aufruft.
b) Im Glaube (īmān) oder im Irrgang (ḍalāl) von einer Art:﴾ كَانَ ﴿النَّاسُ أُمَّةً وَاحِدَةًDie Menschen waren eine umma(2:213). Gemeint ist hier: Sie waren von einer Art und folgten geschlossen dem Weg der Irreleitung. وَمَا كَانَ النَّاسُ إِلَّا أُمَّةً وَاحِدَةً﴾﴿Die Menschen waren einst nur eine umma. (10:19) Gemeint ist hier: Von einer Art, die geschlossen an die Einheit Allahs glaubte.
c) Glaubensgemeinschaft (milla) oder zu befolgende Glaubenslehre (šarīʿa):﴾ وَإِنَّ هَذِهِ أُمَّتُكُمْ أُمَّةً وَاحِدَةً﴿Und diese eure umma ist eine umma. (23:52), d. h. eine einheitliche Glaubensgemeinschaft (milla), die einer Glaubenslehre (šarīʿa) folgt.
d) Zeitspanne oder Dauer:﴾ وَادَّكَرَ بَعْدَ أُمَّةٍ﴿Und sich nach einer umma erinnerte (12: 45), d. h. nach einer geraumen Zeit.
e) Eine Einzelperson, die repräsentativ für eine Gemeinschaft Gutes (ḫair) verrichtet, wie in﴿إِنَّ إِبْرَاهِيمَ كَانَ أُمَّةً﴾Wahrlich, Ibrahim war eine umma. (16:120), d. h. ein Vorreiter und Vorbild bzw. jemand, der in der Anbetung Allahs für eine Gemeinschaft (ǧamāʿa) steht.
2. Umma ist also ein Homonym, ein Wort, das verschiedene Bedeutungen hat – lafẓ muštarak. Möchte man eine āya erläutern, so benutzt man die Bedeutung, die in der āya gemeint ist. Im Falle der untersuchten āya ist mit umma eine ğamāʿa, d. h. eine Gemeinschaft, gemeint. Daher haben wir die Bedeutung des Wortes verwendet, da dies klarer als die Verwendung des Wortes umma ist, weil umma ja mehrere Bedeutungen hat. Und nachdem wir die āya erläutern, ist es deutlicher, wenn wir das Wort gebrauchen, das den Sinn wiedergibt. Deshalb haben wir (in dem erwähnten Buch) gesagt: Auch handelt es sich bei dem Ausdruck ğamāʿa (Gemeinschaft) um ein Gattungswort (…). Wenn wir geschrieben hätten: Auch handelt es sich bei dem Ausdruck umma um ein Gattungswort (…), so hätte es ein Durcheinander der Bedeutungen gegeben: Ist mit umma nun der einzelne Vorreiter und das Vorbild, die Gemeinschaft, die Zeitspanne oder die islamische Umma als Ganzes gemeint? Hier bringt der Gebrauch des Ausdrucks ğamāʿa (Gemeinschaft) mehr Klarheit. Denn in der āya﴿وَلْتَكُنْ مِنْكُمْ أُمَّةٌ﴾ist mit umma Gemeinschaft gemeint.
Was die zweite Frage betrifft:
Du scheinst in einigen sprachwissenschaftlichen Werken von der Einteilung eines Nomens in Gattungsbezeichnung (ism ǧins) und Kollektivum (ism ǧamʿ) gelesen zu haben und dass ein Begriff, der ein Kollektiv bezeichnet und keinen Singular hat, also keine Einzahl, als Kollektivum (ism ǧamʿ) betrachtet wird, wie das Wort qaum (Volk) und rahṭ (Gruppe/Sippe). Anscheinend hast du daraus geschlussfolgert, dass dies die einzige Klassifizierungsmöglichkeit eines Nomens ist und dass es zur Definition eines Kollektivums (ism ǧamʿ) keine Meinungsunterschiede gibt. Deshalb hast du dich wohl gefragt, warum wir umma und ğamāʿa als Gattungswörter (asmāʾ ǧins) bezeichnen, obwohl sie ein Kollektiv beschreiben und sich aus beiden keine Singularform bilden lässt.
Bruder, in der Frage des ism ǧins (Gattungswort) und des ism ǧamʿ (Kollektivum) findet sich eine Fülle an Erörterungen und an Meinungsunterschieden in der Klassifizierung und sogar in der Anwendung der Regeln bei der Definition des ism ǧins und des ism ǧamʿ, je nach Methodik der Sprachwissenschaftler in der Klassifizierung des Nomens. Dazu gehört:
Erstens: Linguisten, die das Nomen in ism ǧamʿ und ism ǧins unterteilen
1. Der ism ǧamʿ (Kollektivum) wird weiterunterteilt in:
a) Was eine plurale (kollektive) Bedeutung hat, wobei sich aus dem Wort selbst keine Singularform bilden lässt. Der Singular kann nur der Bedeutung des Begriffes entnommen und sinngemäß mit einem anderen Wort beschrieben werden, wie es beim Ausdruck qaum (Volk), rahṭ (Gruppe/Sippe), ǧaiš (Armee) usw. der Fall ist.
b) Was in seinem Plural keinem Grundmuster der Pluralbildung entspricht, d. h. es lässt sich aus dem Wort selbst ein Singular (mufrad) bilden, doch entspricht der Plural keinem der gebräuchlichen Schemata der Bildung des gebrochenen (lexikalischen) Plurals, wie beim Ausdruck rakb als Pluralform von rākib.
c) Wo mit dem Plural des Wortes eine Singularzuschreibung möglich ist. So existiert ein Singular, aus dem sich ein Plural nach den gebräuchlichen Grundmustern zur Bildung des lexikalischen Plurals ableiten ließe, jedoch nimmt die Zuschreibung im Plural (im Arabischen wird dafür der Genitiv verwendet) die Singularbedeutung an, wie beim Ausdruck rikāb (Reitkamele), der nach dem Grundmuster fiʿāl des gebrochenen Plurals gebildet wird. Die Einzahl ist hier rukūba (Reitkamel). Doch die Zuschreibungsform im Plural – rikābī - wird in der Singularbedeutung verwendet (also mein Reitkamel - und nicht meine Reitkamele). In diesem Fall handelt es sich um einen ism ǧamʿ (Kollektivum).
2. Der ism ǧins (Gattungswort) wird weiterunterteilt in:
a) Ism al-ǧins al-ǧamʿī (das plurale Gattungswort): Der Ausdruck im Plural hat eine kollektive Bedeutung und bezeichnet die Gattung. Der Singular (mufrad) unterscheidet sich vom Plural dadurch, dass der Pluralform einer von zwei Suffixen angehängt wird und zwar:
- entweder das tāʾ marbūṭa, wie in naḥl - naḥla (Bienen - eine Biene), kalim - kalima (Worte - ein Wort), tuffāḥ - tuffāḥa (Äpfel - ein Apfel), šaǧar - šaǧara (Bäume - ein Baum), tamr - tamra (Datteln - eine Dattel)
- oder das yāʾan-nasab, wie ʿarab - ʿarabī (Araber - ein Araber), turk - turkī (Türken - ein Türke), zinǧ - zinǧī (Schwarze - ein Schwarzer)
(d. h. bei Personalbezeichnungen wird der Singular aus dem Plural durch Anhängen des Zuschreibungssuffixes –ī gebildet und bei allen anderen Nomen durch Anhängen des Suffixes –a)
b) Ism al-ǧins al-ifrādī: Ein Ausdruck, der die Gattung bezeichnet und sowohl auf eine geringe als auch auf eine große Menge zutrifft, wie der Ausdruck māʾ (Wasser) und laban (Milch),
c) Ism al-ǧins al-āhādi: Ein Ausdruck, der die einzelne Gattung bezeichnet, wie das Wort asad (Löwe), ḏiʾb (Wolf), raǧul (Mann) usw.
3. Wie eingangs erwähnt, gibt es geteilte Meinungen über die Anwendung der oben genannten Regeln in der Definition des ism ǧamʿ (Kollektivum) und des ism ǧins (Gattungswort)
- Im Werk „al-Baḥr al-muḥīṭ fī uṣūl al-fiqh“ (4/115) heißt es:
Drittens: Der ism al-ǧins (Gattungswort), der sich von seinem Singular durch das Anhängen des tāʾ (als Suffix) unterscheidet, kein nomen verbi (maṣdar) ist und daraus nicht abgeleitet wurde (muštaqq), wie z. B. die Ausdrücke tamr (Datteln) und šaǧara (Baum). So ist es auch bekannt, nämlich dass dies als ism ǧins bezeichnet wird. Al-Ğazālī nannte es ǧamʿ, ibn Mālik ism ǧamʿ. Er zählte es zu den Kollektiva, doch in „Šarḥ al-kāfiya“ bezeichnete er es als ism ğins (Gattungswort).
Du siehst also aus der obigen Klassifizierung, dass der Singular von tamr (Datteln) und šaǧar (Bäume) tamra bzw. šaǧara ist, es sich somit um plurale Gattungswörter (ism ǧins ǧamʿī) handelt. Doch gibt es verschiedene Unterteilungen dafür: Bekannt ist die Bezeichnung „ism ğins“ (Gattungswort), al-Ğazālī erachtet es als „ǧamʿ“ (Kollektivum) und ibn Mālik als „ism ǧamʿ“ (nomen collektivum).
b) Im „al-Šarḥ al-kabīr li-muḫtaṣar al-uṣūl“ (S. 155) ist zu lesen:
Der Scheich erwähnt hier, dass kalima die Einzahl zu kalām ist. Die Grammatiker sehen jedoch mehrheitlich kalim als die Pluralform von kalima, nicht kalām. (…) Die Gelehrten waren sich uneins darüber, ob kalim ein „ism ǧins ǧamʿi“ (plurales Gattungswort) oder ein „ism ǧins“ (Gattungswort) ist. As-Suyūṭī sagt in „Hamʿ al-hawāmiʿ“ (1/55): Im „Šarḥ at-tashīl li-nāẓir al-ǧaiš“ waren sich die Grammatiker über den Ausdruck kalim uneinig. Einige von ihnen, darunter al-Ğurǧānī, waren der Auffassung, dass es sich um die Pluralform zu kalima handelt. Al-Fārisī und andere Sprachanalytiker betrachteten ihn hingegen als den dazugehörigen Gattungsbegriff (ism ǧins).
Wie unter Punkt a) sagen wir auch hier: Der Sachverhalt betrifft die Pluralform „kalim“, von der sich die Singularform durch Anhängen der tāʾ marbūṭa, nämlich kalim-a, unterscheidet. Nichtsdestotrotz gibt es darüber Meinungsverschiedenheiten. Gemäß der obigen Unterteilung ist es eine plurale Gattungsbezeichnung (ism ǧins ǧamʿī). Für al-Ğurǧānī ist es der Plural zu kalima und für al-Fārisī wiederum ein Gattungswort (ism ǧins).
Wie du siehst gibt es Differenzen unter den Sprachwissenschaftlern, je nach Klassifizierungsmethode.
Zweitens: Einige unterteilen das Nomen in Gattungswort (ism ǧins) und Derivat (muštaqq)
1. Im Buch „al-Maḥṣūl“ von Abū ʿAbdullāh al-Taimī ar-Rāzī, mit dem Beinamen Faḫr ad-Dīn al-Rāzī Ḫaṭīb ar-Ray (gest. 606 n. H.) ist Folgendes zu lesen:
Das Nomen (ism) ist entweder ein ʿalam (Eigenname) oder ein muštaqq (Derivat/Ableitung) oder ein Gattungswort (ism ǧins). Der Eigenname kann nicht als Metapher (maǧāz) benutzt werden, da es für eine Metapher Bedingung ist, dass die Übertragung aufgrund einer Verbindung erfolgt, die zwischen dem Original- und dem Zweigbegriff besteht. Und dies ist bei Eigennamen nicht gegeben (…).
2. Im „Baḥr al-muḥīṭ fī ūṣūl al-fiqh“ von Abū ʿAbdullāh Badr ad-Dīn Muḥammad ibn ʿAbdullāh ibn Bahādir az-Zarkašī (gest. 794 n. H.) wird erklärt:
[Die zweite Anmerkung] Der universelle Begriff (al-lafẓ al-kullī) wird entsprechend seinem Ausdruck in derivativ (aus eine anderen Wort abgeleitet - muštaqq) und andersartig unterteilt] (…) Denn entweder weist er auf das Charakteristikum (einer Sache) durch ein Attribut hin, dann handelt es sich um ein Derivat (muštaqq), wie der Ausdruck al-aswad (das Schwarze), was in der Terminologie der Grammatiker Attribut (ṣifa) genannt wird. Oder er weist nicht darauf hin. In diesem Fall gilt: Weist er lediglich auf das Charakteristikum hin, so ist es ein Gattungswort (ism ǧins). …Al-Aṣfahāni sagte: Was die Gattung (ğins) bezeichnet, unterteilt sich in Gattungswort (ism ǧins), wie der Ausdruck asad (Löwe), und Gattungseigenname (ʿalam ǧins), wie der Name Usāma. Die beiden Begriffe sind keine Synonyme, denn das Gattungswort (ism ğins) dient der Bezeichnung des generellen Charakteristikums, während der Gattungseigenname (ʿalam al-ğins) ein solches Charakteristikum bezeichnet, das im Verstand an eine Personifizierung geknüpft ist.
3. Im „Al-muhaḏḏab fī ʿilm uṣul al-fiqh al-muqārin“ von ʿAbd al-Karīm ibn ʿAlī ibn Muḥammad an-Namla (neuzeitlich) steht:
Der Universalbegriff (al-lafẓ al-kullī) lässt sich - auch - in Gattungswort (ism ǧins) und Derivat (muštaqq) unterteilen:
- Gattungswort (ism ǧins): Das Nomen bezeichnet dabei ein bestimmtes Wesen (Gattung), wie „al-faras“ (das Pferd) oder „al-insān“ (der Mensch)
- Derivat (muštaqq): Das Nomen bezeichnet den Träger einer bestimmten Eigenschaft, ohne ihn zu personifizieren, wie z. B. der Ausdruck „fāris“ (Reiter) und „ʿālim“ (Gelehrter, Wissender). Hier wird ein Wesen bezeichnet, das die Eigenschaft des Reitens bzw. der Gelehrsamkeit trägt.
Der Teilbegriff (al-lafẓ al-ǧuzʾī) wird seinerseits in autarke (mustaqill) und nicht autarke (ġair mustaqill) Nomen unterteilt. Autarkes Einzelnomen ist der Eigenname (ʿalam), wie z. B. der Name Zaid. Dieses kommt ohne Personalpronomen aus. Nicht autarke Nomen sind die Pronomen, wie anā (ich), anta (du), huwa (er) usw.
Drittens: Im dritten Teil des Buches „Islamische Persönlichkeit“ (Kapitel: Die Sprachbegriffe und ihre Unteilungen – das Nomen) teilen wir das Nomen in dieser Weise ein und sagen:
Das Nomen ist entweder ein Universalbegriff (lafẓ kullī) oder ein Teilbegriff (lafẓ ǧuzʾī). Denn entweder kann seine Bedeutung viele umfassen oder nicht. Im ersten Fall spricht man von Universalbegriff (lafẓ kullī) und im zweiten von Teilbegriff (lafẓ ǧuzʾī).
Der Universalbegriff (lafẓ kullī) teilt sich seinerseits in zwei Arten auf: dem Gattungswort (ism ǧins) und dem Derivat (muštaqq). Und dies aus folgenden Gründen:
- Wenn nämlich der Universalbegriff eine nicht näher spezifizierte Sache bezeichnet, wie z. B. „al-faras“ (das Pferd), „al-insān“ (der Mensch) usw., wodurch das Wesen - die Gattung - an sich ausgedrückt wird, dann handelt es sich um ein Gattungswort (ism ğins).
- Bezeichnet er hingegen etwas, das eine bestimmte Eigenschaft besitzt, dann ist der Ausdruck ein Derivat (Ableitung - muštaqq), wie „fāris“ (der Reiter, was von „faras“ – das Pferd - abgeleitet wurde) usw.
Der Teilbegriff (lafẓ ǧuzʾī) teilt sich ebenso in zwei Unterarten auf: Dem Eigennamen (ism ʿalam) und dem Personalpronomen (ḍamīr), und zwar aus folgenden Gründen:
- Wenn nämlich der Ausdruck für sich selbst stehen kann, er also keine nähere Beschreibung benötigt, so ist es ein Eigenname (ʿalam), wie „Zaid“ und „ʿAlī“ usw.
- Wenn er nicht für sich selbst stehen kann, er also etwas benötigt, was ihn näher erklärt, so ist es das Personalpronomen, wie „huwa“ (er), „hiya“ (sie) usw. (Ende des Zitats)
Aufgrund dessen besteht der Ausdruck, der eine kollektive Bedeutung trägt, also der Universalbegriff (lafẓ kullī), aus zwei Formen:
Bezeichnet er keine näher spezifizierte Sache, sondern das Wesen - die Gattung - an sich, wie der Ausdruck „al-faras“ (das Pferd), „al-insān“ (der Mensch) usw., dann handelt es sich um ein Gattungswort. Bezeichnet er etwas, das eine bestimmte Eigenschaft besitzt, dann ist der Ausdruck ein Derivat (Ableitung - muštaqq), wie „al-fāris“ (der Reiter), „al-ʿālim“ (der Gelehrte, der Wissende), „al-aswad“ (der oder das Schwarze) usw. Denn „al-aswad“ - das Schwarze - trägt die Eigenschaft schwarz zu sein, der Ausdruck wird von sawād – schwarz – abgeleitet. „Al-fāris“ – der Reiter – hat die Eigenschaft zu reiten und wird von faras – das Pferd - abgeleitet. In gleicher Weise trägt „al-ʿālim“ – der Gelehrte, der Wissende - die Eigenschaft gelehrt zu sein, wobei der Ausdruck von ʿilm – das Wissen – abgeleitet wird.
Demzufolge bezeichnen die beiden Ausdrücke „umma“ und „ğamāʿa“ (beides heißt Gemeinschaft) in dieser Bedeutung eine nicht näher spezifizierte bzw. personifizierte Sache, d. h. irgendeine umma und irgendeine ğamāʿa. Keiner der beiden Ausdrücke trägt eine bestimmte nähere Beschreibung, somit handelt es sich gemäß der obigen Definition in beiden Fällen um ein Gattungswort (ism ǧins) und nicht um ein Derivat. Das ist die für uns geltende Definition, was die Unterteilung des Nomens betrifft. Daher sagten wir im Buch „Präambel zur Verfassung“ Art. 21:
Beleg dafür ist die Aussage des Erhabenen: ﴿وَلْتَكُنْ مِنْكُمْ أُمَّةٌ يَدْعُونَ إِلَى الْخَيْرِ وَيَأْمُرُونَ بِالْمَعْرُوفِ وَيَنْهَوْنَ عَنِ الْمُنْكَرِ وَأُولَئِكَ هُمُ الْمُفْلِحُونَ﴾Möge aus euch eine Gemeinschaft entstehen, die zum Guten aufruft, das Rechte gebietet und das Unrecht anprangert, und dies sind die Erfolgreichen. (3:104) Der Beweisaspekt in diesem Vers zur Gründung politischer Parteien ist die Tatsache, dass Allah (t) den Muslimen befiehlt, aus ihnen eine Gemeinschaft zu bilden, die zum Guten - d. h. zum Islam - aufruft. Ebenso soll sie das gebieten, was rechtens ist, und das Unrecht anprangern. So sagt der Erhabene: ﴿وَلْتَكُنْ مِنْكُمْ أُمَّةٌ﴾Möge aus euch eine Gemeinschaft entstehen Er befiehlt also die Gründung eines geschlossenen Blockes, der ihm das Merkmal einer Gemeinschaft innerhalb der Gemeinschaft der Muslime verleiht. So sagt Er: ﴿مِنْكُمْ﴾aus euch (minkum). Mit der Aussage ﴿وَلْتَكُنْ مِنْكُمْ﴾Möge aus euch (minkum) ist also gemeint, dass eine Gemeinschaft aus den Reihen der Muslime entstehen soll und nicht, dass die Muslime allesamt eine Gemeinschaft bilden sollen. D. h., möge aus den Muslimen heraus eine Gemeinschaft entstehen und nicht, mögen die Muslime eine Gemeinschaft sein. Denn die Präposition min (aus) im Vers dient der Auswahl (tabʿīḍ) und nicht der Gattungsdarlegung (bayān al-ğins). Kriterium bei der Festlegung, ob sie der Auswahl oder der Gattungsdarlegung dient, ist die Frage, ob an ihrer Stelle das Wort „einige“ (baʿḍ) gesetzt werden kann. So kann man hier sagen: „Wa liyakun baʿḍakum umma.“ (Mögen einige von euch eine Gemeinschaft bilden...), während man z. B. bei der āya﴿وَعَدَ اللَّهُ الَّذِينَ آمَنُوا مِنْكُمْ﴾Verheißen hat Allah denen, die von euch (minkum) glauben und gute Werke tun... (24:55) nicht sagen kann: „Waʿada Allāhu l-laḏīna āmanū baʿḍakum.“ (Verheißen hat Allah denen, die einige von euch gläubig sind...) Deshalb dient min in diesem Falle der Gattungsdarlegung. D. h., die Verheißung Allahs ist nicht nur auf die Generation der Gefährten des Propheten beschränkt, sondern umfasst alle, die glauben und gute Werke tun. Nachdem die Präposition min in der āya﴿وَلْتَكُنْ مِنْكُمْ أُمَّةٌ﴾Möge aus euch eine Gemeinschaft entstehen... der Auswahl (tabʿīḍ) dient, hat das zwei Dinge zur Folge: Erstens: Die Gründung eines Blockes unter den Muslimen ist eine Pflicht, die zur Genüge erfüllt werden muss (farḍ kifāya), und keine individuelle Pflicht (farḍ ʿain). Zweitens: Die Existenz eines Blockes, der das Merkmal aufweist, eine Gemeinschaft bzw. Vereinigung unter den Muslimen zu sein, reicht aus, um diese Pflicht zu erfüllen. Die Anzahl der Mitglieder ist nicht von Belang, solange das Gemeinschaftsmerkmal vorhanden ist und der Block in der Lage ist, die im Vers geforderte Tätigkeit zu erfüllen. So ist mit dem Ausdruck wa-ltakun (möge) in der āya die gesamte islamische Umma angesprochen. Der Ausdruck bezieht sich jedoch auf den Begriff umma im Sinne von Vereinigung (ğamāʿa). Das heißt, die Forderung an sich ist an alle Muslime gerichtet; und der Inhalt dieser Forderung ist die Gründung einer Gemeinschaft, die das Gruppenmerkmal aufweist. Die Bedeutung der āya ist also die: Ihr Muslime, gründet eine Gemeinschaft, d. h. eine Vereinigung, die zwei Tätigkeiten durchführt. Zum einen ruft sie zum Guten, d. h., zum Islam, auf. Zum anderen gebietet sie das Rechte und prangert das Unrecht an. Es ist also eine Aufforderung zur Gründung einer Gruppe, wobei diese Aufforderung auch die Tätigkeiten darlegt, die diese Gruppe durchzuführen hat. Obwohl es sich dabei bloß um eine Aufforderung handelt, „wa-ltakun“ (möge), so existiert ein Indiz (qarīna), das auf den apodiktischen Charakter der Aufforderung hinweist. Denn die im Vers dargelegte Tätigkeit, die diese Gruppe durchzuführen hat, stellt eine Pflicht für die Muslime dar, wie es in zahlreichen anderen āyāt und Hadithen feststeht. Und dies ist ein Indiz dafür, dass die Aufforderung, eine Gruppe zu gründen, apodiktischer Natur ist. Folglich ist der Befehl in der āya als Pflicht (farḍ) ergangen, und die āya belegt somit die Pflicht, dass die Muslime unter sich eine Gruppe gründen, die zum Guten - d. h., zum Islam - aufruft, das Rechte gebietet und das Unrecht anprangert.
Auch ist das Gebieten des Rechten und Anprangern des Unrechts eine der beiden Tätigkeiten, die in der āya als Tätigkeiten der zu gründenden Gemeinschaft verlangt wurden. Somit ist der Befehl im Vers auf die Gründung einer bestimmten Gemeinschaft ausgerichtet, deren Tätigkeit der Aufruf zum Islam ist sowie den Herrschern das Rechte zu gebieten und deren Unrecht anzuprangern und ebenso allen anderen Menschen das Rechte zu gebieten und deren Unrecht anzuprangern. Dies ist die Gemeinschaft, deren Gründung Allah für die Muslime zur Pflicht erhoben hat. Eine Gemeinschaft, welche alle Attribute erfüllt, die im Vers beschrieben werden. Nun ist eine Gemeinschaft in dieser Beschreibung eine politische Partei.
Hier darf nicht behauptet werden, dass eine Gruppe, die zwar zum Islam aufruft, den Menschen das Rechte anbefiehlt und ihnen das Unrecht verbietet, sich aber nicht gegen die Herrscher wendet, ausreichen würde, um die Pflicht zu erfüllen. Dies kann deshalb nicht behauptet werden, weil die Pflicht erst dann vollbracht ist, wenn die von den Muslimen gegründete Gemeinschaft sämtliche Attribute erfüllt. Das heißt, sie muss den vollen Umfang des Gebietens des Rechten und Anprangerns des Unrechts gemeinsam mit dem Aufruf zum Islam erfüllen. Denn die Konjunktion (ʿaṭf) in der āya ist mit dem Partikel wa erfolgt, der einer gleichgestellten Aneinanderreihung (von Aufgaben oder Attributen) dient. Auch sind die Ausdrücke al-amr bi-l-maʿrūf (das Gebieten des Rechten) und an-nahy ʿan al-munkar (das Anprangern des Unrechts) in allgemeingültiger Formulierung ergangen. Daher bleiben sie allgemeingültig; und ihrer Allgemeingültigkeit muss auch genügt werden. Die Pflicht ist also erst dann vollzogen, wenn die Tätigkeit der Gruppe beim Gebieten des Rechten und Anprangern des Unrechts generell und umfassend erfolgt, so, wie es in der āya gefordert wird, ohne etwas davon auszuschließen. Wird das Gebieten des Rechten und Anprangern des Unrechts dem Herrscher gegenüber ausgeschlossen, d. h., wird die politische Tätigkeit ausgeschlossen, dann ist die in der āya geforderte Gruppe nicht entstanden. Die gegründete Gemeinschaft ist dann nicht die, die im Vers verlangt wurde, da sie eine wichtige Tätigkeit des Gebietens des Rechten und Anprangerns des Unrechts ausgeschlossen hat. Der Befehl im Vers ist jedoch in allgemeingültiger, umfassender Formulierung ergangen. Das geforderte Attribut ist also erst dann erfüllt, wenn das Gebieten des Rechten und Anprangern des Unrechts den Herrschern gegenüber ebenso zu den Tätigkeiten der Gruppe zählt. Aufgrund dessen kann die Pflicht, wie sie in der āya erwähnt wird, nur durch die Gründung einer politischen Gemeinschaft erfüllt werden, d. h. einer politischen Partei, politischen Vereinigung oder politischen Organisation. Einer Gemeinschaft also, bei der das Gebieten des Rechten und Anprangern des Unrechts in umfassender Weise erfolgt, ohne irgendeinen Aspekt auszuschließen. Und das ist nur bei einer politischen Partei, politischen Vereinigung oder Ähnlichem gegeben.
Demzufolge hat Allah mit dem Vers die Gründung politischer Parteien anbefohlen, welche die islamische Botschaft tragen, die Herrscher zur Rechenschaft ziehen, ihnen das Rechte gebieten und deren Unrecht anprangern und ebenso alle anderen Menschen zum Rechten aufrufen und ihnen das Unrecht untersagen. Dies ist der Beweisaspekt aus dem Vers, der den Rechtsbeleg für diesen Artikel bildet.
Hier kann man nicht einwenden, dass der Vers von einer Gemeinschaft (ğamāʿa) spricht, also von einer einzigen Partei, womit die Existenz mehrerer Parteien unzulässig wäre. Dies kann deshalb nicht gesagt werden, weil der Vers nicht von einer einzigen umma spricht. So heißt es nicht: eine einzige Gemeinschaft (umma wāḥida), sondern: eine Gemeinschaft (umma). Die Formulierung ist also unbestimmt, ohne irgendeine zusätzliche Attribuierung ergangen. D. h., dass die Gründung einer Gruppe verpflichtend ist. Wird nur eine Gruppe gegründet, ist die Pflicht erfüllt, was aber nicht bedeutet, dass die Gründung mehrerer Gruppen, also mehrerer Blöcke, verboten wäre. Wenn nämlich einer die Pflicht der Genüge (farḍ al-kifāya) erfüllt, die von einer einzigen Person erfüllt werden kann, so schließt das nicht andere davon aus, sie ebenfalls zu erfüllen. Auch handelt es sich bei dem Ausdruck ğamāʿa (Gemeinschaft) um ein Gattungswort (ism ğins), d. h., irgendeine Gemeinschaft. Es ist also die Gattung „Gemeinschaft“ gemeint und nicht der Singular. Der Erhabene sagt: ﴿كُنْتُمْ خَيْرَ أُمَّةٍ أُخْرِجَتْ لِلنَّاسِ﴾Ihr seid die beste Gemeinschaft, die je den Menschen hervorgebracht wurde. (3:110) Auch hier ist die Gattung gemeint. Gleiches gilt
für die folgende Aussage des Gesandten (s):«مَنْ رَأَى مِنْكُمْ مُنْكَرًا فَلْيُغَيِّرْهُ»Wer von euch ein Unrecht sieht, der soll es beseitigen. Bei Muslim in geschlossener Kette über den Weg Abū Saʿīd al-Ḫudrīs tradiert. Hier ist gleichsam nicht ein einzelnes Unrecht, sondern das Unrecht als Gattung bzw. als Kategorie gemeint. Beispiele dafür gibt es viele. Somit wird der Vollzug der Handlungsgattung bzw. die Unterlassung der Handlungsgattung gefordert und nicht bloß eine Einzelhandlung daraus. Gemeint ist also die Gattung an sich. Dies trifft sowohl auf ein Einzelelement der Gattung als auch auf mehrere Elemente davon zu. So kann es in der Umma eine Partei oder auch mehrere geben. Ist jedoch eine Partei vorhanden, dann ist die Pflicht zur Genüge erfüllt, sobald diese Partei die in der āya geforderte Tätigkeit durchgeführt hat. Es ist aber nicht untersagt, dass auch andere Parteien gegründet werden. Die Gründung einer politischen Partei ist eine Pflicht, die von den Muslimen zur Genüge erfüllt werden muss. Wenn eine Partei entstanden ist und andere eine zweite gründen wollen, um die Pflicht gleichermaßen zu erfüllen, so darf man sie daran nicht hindern. Man würde sie nämlich daran hindern, eine Pflicht zu erfüllen, was verboten ist. Deshalb ist es unzulässig, die Gründung mehrerer politischer Parteien zu untersagen. Das betrifft allerdings islamische Parteien, die das erfüllen, was im Vers gefordert wird, nämlich den Aufruf zum Guten, das Gebieten des Rechten und das Anprangern des Unrechts, wozu auch zählt, den Herrschern das Rechte zu gebieten, deren Unrecht anzuprangern und Rechenschaft von ihnen zu fordern. (Ende des Zitats)
Im Übrigen gibt es auch Sprachwissenschaftler, die das Wort umma und damit ebenso ǧamāʿa als ism ǧins klassifizieren:
Im „al-Muḥarrir al-waǧīz fī tafsīr al-kitāb al-ʿazīz“ (1 / 488) von Ibn ʿAṭiyya al-Andalusī al-Muḥāribī (gest. 524 n. H.) steht Folgendes:
Die Interpreten waren sich in der Bedeutung derAussage des Erhabenen﴿كُنتُمْ خَيْرَ أُمَّةٍ﴾uneinig. Al-Ḥasan ibn Abī al-Ḥasan und eine Gruppe von Gelehrten sagten dazu: „Die āya bedeutet, dass die umma angesprochen wird - als beste umma, die den Menschen je hervorgebracht wurde.“ Der Ausdruck umma wäre nach dieser Interpretation ein Gattungswort (ism ǧins); so, als hätte man ihnen (den Muslimen) gesagt: „Ihr seid die beste unter den Menschengemeinschaften“. Diese Interpretation wird durch den Umstand bestätigt, dass sie (die Muslime) Zeugen (šuhadāʾ) über die Menschen sind. Al-Qādī Abū Muḥammad erklärte: „Umma ist gemäß dieser Interpretation ein Gattungswort (ism ǧins).“
Ich hoffe, der Sachverhalt ist damit klar geworden.
Und Allah (t) ist wissender und weiser.
02. Muḥarram 1441 n. H.
01. September 2019 n. Chr.