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بسم الله الرحمن الرحيم

Im Namen Allahs des Erbarmungsvollen des Barmherzigen

Zum zehnten Jahrestag der Revolution
(15)

Wie sieht nun also die Veränderung aus?

Was in Ägypten nach dem Putsch vom 03.07.2013 geschah und was der islamischen Strömung im Allgemeinen und den Muslimbrüder im Besonderen angetan wurde, ließ die Herzen bluten. Die ganze Welt war Zeuge der Massaker und der Festnahmen, Vertreibungen, Misshandlungen und Verschleppungen. All das wurde von den Muslimen in Ost und West gesehen und mitverfolgt. Die antiislamische, feindselige Stimmung nach der Entmachtung der Muslimbrüder aufgrund der irreführenden Propaganda, die von den Komplizen des Regimes verbreitet wurde, hat viele Fragen aufgeworfen und zwar Fragen nach den Gründen für das, was geschehen ist. Wie konnte das alles passieren? Warum kam es zu dieser verheerenden Entwicklung? Was für nützliche Lehren lassen sich ziehen, wenn man das Geschehene wieder aufrollt?

Als die Muslimbrüder nach der Januar-Revolution an die Macht kamen, hatte so mancher geglaubt, der Islam würde nun in Staat und Gesellschaft implementiert werden. Doch dann löste sich alles, was mit den Muslimbrüdern zu tun hatte und der Traum von einem Staat, der den Islam implementieren würde, in Luft auf! Und das Problem war, dass das Geschehene bei einigen Muslimen, die sich nach einer islamischen Herrschaft sehnten, zu Frustration und Hoffnungslosigkeit führte. Und es war zu befürchten, dass sich die Hoffnungslosigkeit auch in die Herzen der islamisch aktiven Muslime breitmachen würde. Sollte das passieren, wäre das eine enorme Gefahr. Denn das würde die aktiven Muslime lähmen und ein Hindernis für die Interaktion der Umma mit der Da´wa darstellen. Das würde zu einem allgemeinen Kollaps und einem Rückschlag innerhalb der Umma führen. Man würde sich dem Willen der Islamfeinde ergeben. Genau darauf haben es al-Sisi und die Strippenzieher hinter ihm angelegt. Und auch wenn er nur vollstreckt, was ihm diktiert wird, so zeugen dennoch seine Maßnahmen und Aktionen, die er seit dem Putsch vollzieht, von einem tiefsitzenden Hass und einer tiefen Feindschaft gegenüber dem islamischen Lager, ja mehr noch, gegenüber dem Islam als Ganzes, auch wenn er etwas anderes vorgaukelte, besonders als er noch Verteidigungsminister unter der Herrschaft der Muslimbrüder war.

Daher müssen die Ereignisse sehr bewusst studiert und in allen Einzelheiten beleuchtet werden, damit die richtigen Lehren gezogen werden können. Die Fehler müssen identifiziert werden, damit sie in Zukunft vermieden und alle Eventualitäteten vorausschauend geprüft werden können. Das erfordert jedoch vorab, ein Verständnis bezüglich der Realität zu haben, so wie sie ist. Bedarf sie einer Reformierung oder doch einer radikalen Veränderung? Und wie muss der angestrebte islamische Staat aussehen? Wie entsteht er und was sind die Voraussetzungen für seine Weiterexistenz? Wie müssen die Personen sein, die dafür arbeiten und wie die Gesellschaft, die die Essenz dieses Staates darstellt?

Die Ursachen für Erfolg oder Misserfolg der Arbeit sind auf vielerlei Dinge zurückzuführen. Einige liegen in der Ideologie selbst, die der Block, der für die Veränderung arbeitet, als Idee und Methode trägt. Einige Ursachen gehen auf den Block zurück, der die Ideologie als Idee und Methode adaptiert hat, zurück. Andere Gründe gehen auf die Gesellschaft und den Grad ihrer Interaktion mit der Ideologie zurück, inwieweit sie die Ideologie in ihre Mitte und als ihre intellektuelle Führung angenommen hat.

Von daher wollen wir einige Aspekte darlegen, auf die wir das Augenmerk derer richten wollen, die für eine Wiederaufnahme der islamischen Lebensweise arbeiten. Denn so werden fatale Fehler vermieden, die sowohl Muslimbrüder als auch andere Bewegungen, die schon vor ihnen diese Arena betraten, begangen haben, wie etwa in Algerien die Heilsfront und im Gazastreifen die Hamas.

Erstens: Die Bestimmung des Ziels, das der Block erreichen will

Es ist unerlässlich, dass die Gruppe, der Block oder die Partei, die auf einen Wandel hinarbeitet, ihr Ziel definiert. Geht es schlicht um eine Partizipation an den bestehenden Regimen oder geht es um deren Demontage und die Wiederaufnahme des islamischen Lebens durch die Errichtung des Kalifats? Diese Definition muss klar und deutlich herausgearbeitet sein, fernab von pausch undoffen gehaltenen Vorschlägen oder dehnbaren Parolen. Das heißt, es muss ein vollständiges, umfassendes kulturelles Projekt existieren. Darin enthalten muss eine detaillierte Erläuterung der Idee sein, aus der alle übrigen Lösungen abgeleitet werden und auf der sämtliche Ideen und Meinungen aufbauen. Auch der ideologische Staat mit seinen Regierungsprinzipien, seinen Säulen und seinen Institutionen muss genau erläutert werden. Welche Systeme und welche Innen- und Außenpolitik wird der Staat zur Anwendung bringen, d.h. welche Verfassung, die aus der Ideologie abgeleitet und zur Implementierung bereit stehen muss, trägt dieser Block?

Und nicht nur das. Wenn dieser Block an die Macht kommt und den Islam implementiert, wird er sich neuartigen, vielfältigen Problemen konfrontiert sehen. Für diese müssen Lösungen, also Ahkam Shar´iyya, abgeleitet werden, und zwar aus detaillierten Beweisen. Es muss sich um rein islamische Lösungen handeln – um nichts anderes. Und das erfordert die Adaptierung einer bestimmten Methode im Ijtihad. Das heißt, es müssen die Prinzipien erläutert werden, auf deren Grundlage die Gesetze abgeleitet werden. Das ist die Garantie dafür, dass der Staat auf einer islamrechtlich klaren Linie bleibt, abseits von Improvisation und Chaos. So klar und so umfassend muss die Idee sein. Jede Unklarheit hätte verheerende Folgen.

Und eben solche Fehler haben die Muslimbrüder begangen. Sie hatten keine klar formulierte Idee, um die sich die Menschen hätten scharen können. Es wurde vielmehr in vager Form von einem zivilen Staat mit islamischem Bezug gesprochen. Und so existierte der Staat weiter wie er war, ohne nennenswerte Veränderungen, außer dass das Staatsoberhaupt einen Bart trug, betete und den Koran rezitierte. Das Projekt für eine Erhebung wurde von den Muslimbrüdern nicht als klar ausgearbeitetes Projekt vorgelegt, sondern es ging um wirtschaftlichen Fortschritt und darum, wie ausländische Investoren nach Ägypten gelockt werden können und wie man das Bruttoinlandsprodukt erhöhen könnte. Man sprach nicht über eine Wirtschaftspolitik, die darauf beruht, die Befriedigung der Grundbedürfnisse eines jeden Bürgers zu sichern und die der sekundären Bedürfnisse zu ermöglichen. Das ganze Projekt baute nicht auf einer ideologischen Idee auf, bei der der Islam und seine ´Aqida das Grundfundament bilden. Vielmehr schien dieses Projekt vom kapitalistischen System und seiner beschränkten, unkorrekten Sichtweise auf das Wesen des Wirtschaftsproblems beeinflusst zu sein, an dem das Land leidet.

Seltsam ist, dass mit der Machtübernahme der Muslimbrüder - und sogar kurz davor - der magische Slogan „Der Islam ist die Lösung“, den sich die Muslimbrüder jahrzehntelang auf die Fahnen geschrieben hatten, verschwunden war. Dafür kam die Parole „Wir tragen das Gute für Ägypten“ ins Spiel. Abgesehen davon handelten sie auf Basis der miserablen Realität, in der das Land lebt und entnahmen die Lösungen der kranken Realität. Das führte unübersehbar zu einem Chaos bei den Muslimbrüdern, was die Verwaltung der Regierung betraf. Die Gruppe agierte nicht wie eine Gruppe, die eine Idee zur Veränderung trug und das Ziel hatte, die slamische Lebensweise wiederaufzunehmen. Die Idee des Kalifats hatte keinerlei Präsenz, auch nicht ansatzweise, um in Richtung der Weltführung zu schreiten.

Zweitens: Die Da´wa des Blocks muss global sein und nicht lokal oder regional:

Die Da´wa muss als globale Da´wa getragen werden, damit die alle Völker der Erde die Größe des Islam und die Aufrichtigkeit seiner Gesetze wahrnehmen können, sodass die Da´wa eine menschliche Dimension annimmt und eine globale Macht erlangt. Diese Universalität ist die starke Stütze des entstehenden islamischen Staates angesichts der Gefahren böser Mächte und des internationalen Konflikts, der den Staat nach seiner Gründung bedrohen wird, besonders in der kritischen Phase seiner Entstehung. Die Da´wa geht in ihrer Interaktion mit der Umma in den islamischen Ländern in Phasen vonstatten, beginnend mit der Ausbildung und der Interaktion. In dieser Phase wird eine öffentliche Meinung geschaffen, die aus einem allgemeinen Bewusstsein über die Idee und den Block, der für diese Idee arbeitet, hervorgeht. Diese öffentliche Meinung bringt die Umma dazu, sich der Ideologie anzunehmen und sich um die Männer zu scharen, die diese Ideologie tragen. Der Block strebt in allen Ländern, die er zu Aktionsgebieten erklärt hat, danach, die Macht in einem oder mehreren Ländern zu übernehmen, die zusammen den Stützpunkt des islamischen Staates bilden.

Und das hatten der Staat Mursis und seiner Gruppe nicht auf ihrer Agenda. Die Muslimbrüder agierten pragmatisch und übertrafen selbst die radikalsten Säkularisten darin. Dass Ägypten zu einem Ausgangsort eines globalen Staates wird, der danach strebt den Platz einer großen Macht unter den Staaten einzunehmen, stand gar nicht erst zur Debatte.

Die Muslimbrüder verloren sich im Schmelzofen eines tief verankerten säkularen Regierungssystems und konnten sich den Symbolen dieses säkularen Systems in den staatlichen Institutionen nicht entgegenstellen, nicht der Armee nicht der Justiz, nicht der Polizei und auch nicht den Medien. Abgesehen davon waren besonders darauf bedacht, dem Westen zu schmeicheln, insbesondere dem Kufr-Staat USA und seines Ziehkindes „Israel“. Die Muslimbrüder handelten als lokale Gruppierung, ohne Ambitionen der Ausdehnung, aus Furcht vor den Pfeilen, die die Säkularisten in Richtung der Muslimbrüder als globale Organisation schießen könnten.

Der Basis der Muslimbrüder auf den Straßen Ägyptens blieb keine Möglichkeit, die öffentliche Meinung für den neuen Staat zu mobilisieren. Es blieb ihnen stattdessen nichts anderes übrig, als nach Rechtfertigungen für alle Verstöße des neuen Staates gegen islamische Gesetze zu suchen. Dazu gehörte zum Beispiel die Respektierung des unseligen Camp David-Abkommens, das immer im Kreuzfeuer der Muslimbrüder stand, als sie noch außerhalb der Macht waren. Was das Ganze noch toppte, war, dass der an Perez gerichtete innige Brief Mursis, verteidigt wurde. Ebenso wurde die „Operation Adler“, die von der ägyptischen Armee gegen die Jihadisten im Sinai und gegen die Tunnel in Rafah durchgeführt wurde, verteidigt. Darüberhinaus wurden Rechtfertigungen für Verhandlungen mit dem IWF vorgebracht, um zinsbehaftete Kredite zu erhalten, die zu Oppositionszeiten noch als etwas Verbotenes galten!

 

Geschrieben für das zentrale Medienbüro von Hizb-ut-Tahrir
Hamed Abdulaziz

 

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